Eine sogenannte Karriere

Detlef Bernd Blettenberg ist der beste deutsche Krimi-Autor, den keiner kennt. Weil er als Entwicklungshelfer so selten dort ist, wo der Literaturbetrieb sich feiert

In „Land der guten Hoffnung“, Detlef Bernd Blettenbergs letztem Buch, begegnen wir gegen Ende einem Mann, der jahrelang undercover gearbeitet hat und der nach der Lösung seines Falls nun wieder in der Verwaltung sitzt. „Hinter seinem überladenen Schreibtisch“, steht da, „umgeben von trostlosen Aktenschränken und billigen Sitzmöbeln, nahm er sich wie ein nobles, kräftiges Tier aus, das man von der freien Wildbahn in einen viel zu engen Käfig verschleppt hatte.“

Blettenberg kennt dieses Gefühl, zwischen den Fronten zu stehen: Ein Dutzend Bücher hat er veröffentlicht, Preise eingeheimst, doch seine Brötchen verdiente er im Entwicklungsdienst. Zwischen Wildnis und Bürokratie. In Ecuador und Nicaragua sah er, wie nach der Cola der Kalte Krieg kam. In Thailand und Afrika lernte er, dass die Wahrheit genauso wenig zu erkaufen ist wie Fortschritt. „Blettenberg steht in der Bundesliga der Thriller-Autoren“, lobte der Spionage-Meister Ted Allbeury, „mit weitem Abstand

an der Spitze.“ Jörg Fauser lobte „neben Orts- und Milieukenntnissen auch die überaus klare und lesbare Sprache“. Trotz Lob von Kollegen und Kritik kennt ihn nicht jeder. Selbst wer ihn kennt, weiß nicht, was für ein Tier es ist, das da zwischen den Welten wandelt. „Bei den meisten Verlagen war ich nur für ein paar Romane“, sagt Blettenberg. „Meine sogenannte Karriere als Autor ist daher eher eine Serie von Rückschlägen. Und Zufällen.“

Die fehlende klare Linie, dass „unser Mann in den Tropen“ (Die Zeit) autark blieb, tat den Büchern gut. „Farang“ von 1988 entführt die Leser erst nach Bangkok und dann in den neon-hellen Graubereich zwischen Massagesalons und Montien-Hotel. Surasak Meier (alias Farang) taucht in „Berlin Fidschitown“ von 2003 in Schattenwirtschaften, die parallel zur Euro-Umstellung in stillgelegten Nazi-Bunkern blühen. „Blut für Bolivar“ fließt im Auftrag der Regierung, „Barbachs Bilder“ ist weniger Krimi als Voyeurismus-Studie.

Ohne alle Themen und Locations durchzudeklinieren, die Blettenberg immer nahe am Zeitgeschehen und wie mit einer Kamera einfängt, ist klar, wer oder was regiert: Action, Atmosphäre. Zu gleichen Teilen Suche wie Rastlosigkeit.

„Fremde Welten haben mich schon als Kind interessiert, als ich Enid Blyton las, auch Karl May“, erzählt Blettenberg. „Später dann die ganzen britischen Kolonialisten: Burgess, Ambler, LeCarre, Richard Hughes, Orwell, aber nicht, wie heißt das noch?, ,1984′, sondern ,Tage in Burma’… “ Wenn man ihm zuhört, im Wintergarten einer überschaubaren Wohnung, das Wohnzimmer mit E-Gitarre, Unmengen CDs und Büchern, alles verstreut über Sessel und Tischchen von mindestens vier Kontinenten, merkt man: Dass ihn nicht jeder kennt, tangiert ihn, bedrückt ihn aber nicht.

„Als mich die Nachricht erreichte, ich hätte zum dritten Mal den Krimipreis gewonnen, war ich in Accra. Als Troubleshooter. Und um die Kriegskasse aufzufüllen. Diesmal mit Einladung zur Preisverleihung, Ticket wurde bezahlt. Tags darauf rief die ,Bunte‘ an, um mich zu interviewen. Weil die Telefonleitung immer wieder abbrach, streckte sich das über den ganzen Tag. Für mich nervig, für die aufregend und wild. Am Ende brachten sie so ein Kästchen; zur Orientierung wollten sie einen Autor, der mir gefällt, ich sagte: ,Ambler‘, sie druckten ,LeCarre‘.“

1981 wurde — dank Edgar-Wallace-Preis – Blettenbergs erster Krimi in der Roten Reihe bei Goldmann verlegt. W^ie Schund. Den Juroren Friedrich Christian Delius und Bernt Engelmann gefiel, was dem Verlag missfiel: RAF-Thematik in Ecuador – und Goldmann gefiel, was die Linken nicht mochten: Blondinen wie im Film.

Die Fronten waren noch nicht geklärt, da bot Blettenberg beim Kultur-Journal „TransAtlantik“ Hans Magnus Enzensberger eine Reportage an: Mick Jagger am Amazonas bei den Dreharbeiten für „Fitzcarraldo“. Karrieretechnisch war es vielleicht unklug, aber für die Bücher war es ideal, dass er Schubladen ignorierte und weiter in die Welt zog, Wenden nicht nur in Berlin, sondern auch in Nicaragua begleitete – und zuletzt in Ghana verschwand, statt für „Berlin Fidschitown“ die Werbetrommel zu rühren.

Da passt es nur zu gut, dass Neil Young das Motto zum aktuellen Roman stellt – und Roy Orbison für den Soundtrack der Story sorgt.

Was für ein Tier ist das also, das da grübelt und reflektiert, das in wenigen Stunden schon wieder alles gepackt haben und über alle Berge sein könnte? Mit einigen seiner Ermittler teilt er das, was jemand im neuesten Roman „Land der guten Hoffnung“ „konturlos“ findet: Er ist kein ritterlicher Held, auch kein schrulliger in den Wäldern Skandinaviens stochernnder Betroffenmacher, sondern jemand, der Verbrechen bekämpft.

Das Verbrechen, das Blettenberg im Visier hat, ist die Langeweile. Sein Kampf gilt der Langeweile in der Literatur, der „Nebelwerferprosa“. Wer so viel gesehen hat, erträgt kein Gelaber mehr.

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