Kann man Menschen mit Bon Jovi foltern?

Berichte aus Gefängnissen deuten an, dass der Wille von Gefangenen mit Musik gezielt gebrochen wird.

In der der UNO-Antifolterkonvention gilt als Folter jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden“, um so von ihnen in irgendeiner Form „ein Geständnis zu erzwingen“. Wie inzwischen von mehreren Berichten bestätigt wurde, wird Musik auch in aktuellen Konflikten eingesetzt, um Menschen in Gefangenschaft gefügig zu machen.

In einem Artikel von „Newsweek“ heißt es, dass Russland Strafgefangene mit Songs von Bon Jovi und Moby quält. Konkret läuft das so ab, dass Lieder immerzu wieder gespielt werden, meist in unerträglicher Lautstärke und oft auch zu Zeiten, in denen normalerweise geschlafen werden sollte. Im russischen Strafvollzug soll laut einem Insider, den das amerikanische Blatt zitiert, neben einigen heimischen Schlagern aus den 50er und 60er Jahren sehr viel westliche Musik zu hören sein. Neben drei Moby-Songs, darunter auch „Why Does My Heart Feel So Bad“, gehörten „It’s My Life“ und „One Wild Night“ von Bon Jovi dazu, aber auch „Thunderstruck“ von AC/DC.

Immer wieder Metal

Ob die Stücke staatlich angeordnet sind oder den grausamen Vorlieben eines Gefängnis-DJs entspringen, bleibt unklar. Während bei der Auswahl von Balladen aus vergangenen Zeiten wohl vor allem die Erinnerung an Gulag und KGB-Terror hervorgerufen werden soll, könnten Pop- und vor allem auch Hardrock-Songs mit ihren zuweilen monotonen Kompositionen durch permanente Wiederholung die Nerven der Insassen strapazieren.

Gefangene berichteten in der Vergangenheit von Momenten, in denen sie tatsächlich nicht mehr in der Lage waren, innerlich Ruhe zu finden. Entsprechend gibt es auch Berichte, dass Musik – insbesondere Heavy Metal – in Guantanamo Bay eingesetzt wurden, wo die Amerikaner jahrelang islamistische Terrorverdächtige interniert hatten. Beliebtes Folterinstrument: „Enter The Sandman“ von Metallica in der Dauerschleife.

Der Horror setzt vor allem dadurch ein, dass durch Lärmpegel und ewige Wiederholung die Orientierung verloren geht. Unter Militärexperten Amerikas wurde Musik als Foltermethode schließlich mit dem Begriff der „No Touch Torture“ bekannt. Die Opfer können später wenig von körperlichen Schäden berichten. Weghören ist für sie nicht möglich, denn anders als etwa die Augen lassen sich Ohren eben nicht verschließen.

Die Methode ist indes alles andere als neu. Schon in Konzentrationslagern sollen die Nazis brutal laute Wagner-Arien oder Marschlieder eingesetzt haben, um die Gefangenen daran zu hindern, miteinander zu kommunizieren. Sicher sollten damit auch Schmerzensschreie bei Strafaktionen und letztlich auch bei Ermordungen übertönt werden. Auch für den Umgang mit Gefangenen in der Griechenland-Diktatur und beim Gewalt-Regime in Chile ist bekannt, dass zum Beispiel Volkslieder und markante Radio-Hits eingesetzt wurden, um Gefängnisinsassen zu brechen.

Stets blieb das Schädigen mit Musik aber nur eine Methode von vielen. Reine Musikfolter gibt es nicht. Kombinationen sind aber stets möglich. So sollen Mitglieder der CIA bei den berüchtigten und vielfach kritisierten Waterboarding-Methoden mutmaßliche Al-Qaida-Terroristen zusätzlich mit Metal-Melodien beschallt haben.

Foltermethode Kinderlieder

Wer nun allerdings glaubt, härtere Klänge wären aufgrund von Lautstärke und Simplizität des Rhythmus‘ das perfekte Mittel, um Menschen in den Wahnsinn zu treiben, liegt nicht ganz richtig. So wurden nach Angaben von ehemaligen Insassen von Guantanamo auch Kinderlieder verwendet. Darunter vor allem „I Love You“ von Barney, dem Dinosaurier.

Die Worte, die zu einem Song gehören, verlieren für die Betroffenen schnell an Bedeutung. Sie sind, egal wie harmlos und einfältig sie auch sein mögen, nicht das Problem. Das Gehirn kann sie verdängen oder ausblenden. Viel mehr pulsieren die Melodien im Geist wie in Dauerrotation, heißt es von derart Gefolterten. Es gebe sozusagen kein Entkommen mehr vor den Beats und Refrains. Und das sei schlimmer als körperliche Gewalt.

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