Frisch renoviert

In Andalusien fanden Tito & Tarantula jetzt den nötigen Abstand von der eigenen Vergangenheit

Wisst ihr was? Robert hat sich den Rücken verletzt und macht die Regie von ‚Spy Kids 2′ jetzt vom Rollstuhl aus. Der Stuhl ist eine Sonderanfertigung, damit er die Kamera weiter bedienen kann!“, ruft Tito Larriva, Sänger und Kopf von Tito & Tarantula. So ist er wohl, der Robert. Gitarrist Peter Atanasoff, Bassistin I.O. Perry und die restlichen Anwesenden schwanken bei Bekanntgabe der Neuigkeit jedenfalls zwischen Amüsement und Sorge um den gesundheitsgefahrdenen Arbeitseifers ihres Freundes.

Robert, das ist Robert Rodriguez. Noch jetzt, mehr als sechs Jahre, nachdem Tito & Tarantula durch ihr Mitwirken an dessen blutig-trashigen Kinohit „From Dusk Till Dawn“ zu Weltruhm gelangten, scheint kein Medienbeitrag über die Band, nicht einmal ein Gespräch unter Musikfreunden ohne den Hinweis auf den Film auszukommen. Dafür gibt es Gründe. Als wäre der Auftritt als dämonische Bluesrockhausband des verrufenen „Titty Twister Clubs“ nicht markant genug, schlürfte auch noch ausgerechnet Quentin Tarantino zu den Klängen von „After Dark“ Tequila von Salma Hayeks Zehen. Kein Wunder, dass diese Reizverknüpfung sich umgehend im kollektiven Popkulturgedächnis verewigte.

Gitarrist Peter, Gründungsmitglied von Tito & Tarantula mit umfangreicher musikalischer Vergangenheit, nimmt die ständige Reduzierung auf den Hit gelassen. „Wir lieben Robert, und sein Film hat uns geholfen, uns selbst und unsere Musik vorzustellen. Wir sind immer noch sehr stolz darauf, wie er uns inszenierte. Diese bizarre Art und das Zusammenspiel mit unserer Musik.“ Tito, der kürzlich auch für Rodriguez‘ Desperado-Nachfolger „Once upon a time in Mexico“ vor der Kamera stand, sieht es genauso. Beinahe jedenfalls. „Wahrscheinlich wäre ich ein bisschen verärgert, wenn ich Ähnliches nicht schon öfter erlebt hätte“, räumt der in den USA aufgewachsene Mexikaner ein.

In den frühen 80er Jahren steuerte Tito mit seiner damaligen Punkband The Plugz Songs zu „Repo Man“ bei. Ein paar Jahre später begann er in David Byrnes skurrilem Film „True Stories“ seine Zweitkarriere als Schauspieler und sang bei der Gelegenheit bei „Radio Head“ mit. Damit machte er nicht nur Eindruck bei jener kleinen britischen Band, die sich nach dem Lied benannte. Imageprägenden Rummel ist der Mann also gewohnt, nur: „Mit der Zeit wird es doch etwas ermüdend, immer über die Vergangenheit zu reden. Wir haben eine Menge neuer Geschichten auf Lager.“

Eine dieser Geschichten handelt davon, wie er das Plattenstudio EL Cortijo im spanischen Andalusien entdeckte, wo Tito &. Tarantula die Aufnahmen zu ihrem vierten Album machten und wohnten. Wobei Plattenstudio eigentlich ein viel zu schnöder Ausdruck ist Paradies träfe es eher. Ursprünglich wollte man auf Malta aufnehmen, doch dann erinnerte sich Tito an eine Dokumentation über Björk. „Ihrem Drummer gehört El Cortijo, und sie nahm hier auf. Viel redete sie in dem Film ja nicht, aber wenn, dann sagte sie Sachen wie: ,Ich kann vom Fenster aus Afrika sehen.’Und ich sah die Bilder vom Haus und der Umgebung und dachte nur: ‚Wow, wie cool musste es sein, hier aufzunehmen.'“

Ausnahmsweise hielt die Realität, was das Fernsehen versprach. Das so gemütliche wie stillvolle Herrenhaus in den Hügeln zwischen Malaga und Marbella ist tatsächlich malerisch gelegen. Und so benannte man das neue Werk nach der Region: „Andalucia“. Tito glaubt: „Wenn etwas unsere Musik verändert hat, dann dieses Haus hier.“ Die Umgebung erkundete man nur selten. Wozu auch? Bei gutem Wetter reicht die Sicht bis zum nahe gelegenen Mittelmeer, neben dem Swimmingpool blühen Zitronenbäume. Um von hier aus Afrika sehen zu können, muss man allerdings schon Björk sein.

Im Haus selbst erwarteten die Musiker außer soundtechnischen Idealbedingungen und einem Billiardtisch viel Star-Memorabilia. Platin-Platten und Autogramme zieren die Toilettenräume. Ein Hauch von Glitter schwebt noch über dem Bett, in dem vor Tito immerhin Mariah Carey nächtigte. In der Küche sorgen Maria und Anita für den stetigen Fluss kulinarischer Genüsse.

Doch diesen Annehmlichkeiten zum Trotz erwies sich „Andalucia“ als schwere Geburt. Der Aufhahmeprozess zog sich über sechs Monate hin. Erst Mitte Dezember wurde letzte Hand ans Album gelegt „Wir begannen hier im Juni. Als wir dann in die Staaten zurückflogen, schien das Privatleben von uns allen explodiert zu sein“, sagt Tito, den es am schwersten traf. Am 70. Geburtstag seines Vaters wurde die Leiche von Titos Bruder Leo gefunden, der seit einem Jahr verschollen war.

Auch bandintern gab es Probleme, und so wurden zwischendurch Drummer und Bassist ersetzt – Renovierungsarbeiten, die sich gelohnt haben. Auch wenn dort, wo Tito & Tarantula draufstand, schon immer mehr als Gruselrock aus der Wüste drin war, überrascht „Andalucia“ doch mit unerwartetem Einfallsreichtum und Frische. „Es wäre für uns nicht schwer, in die ZZ-Top-Richtung zu gehen – und Vampir-Umhänge zu tragen, um Geld zu scheffeln“, droht der Sänger. Doch so einfach machen es sich Tito & Tarantula glücklicherweise nicht.

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