Gunter Blank geht trinken: Reinheit vom Rhein

Der Riesling gilt vielen als Krone der Schöpfung. Der Kolumnist bekam davon jahrelang Sodbrennen. Nun hat er sich kurieren lassen

„Maxime Herkunft“, so prangt es auf den Kisten des Weinguts Bischel am Ortsrand der rheinhessischen Gemeinde Appenheim, in dem die knapp 40-jährigen Brüder Christian und Matthias Runkel seit gut fünfzehn Jahren die Anbaumethoden radikal geändert haben. Und eher diskret weist der selbe Spruch auch in der Diele des einen Steinwurf entfernten Weinguts Knewitz auf das Credo der ein Jahrzehnt jüngeren Brüder Tobias und Björn hin, die zusammen mit Tobias’ Frau, Corina, das 150 Jahre alte Gut ebenfalls zu einem Vorzeigebetrieb der deutschen Weinkultur entwickelt haben.

„Maxime Herkunft“: Diese beiden Wörter stehen für den Aufstieg Rheinhessens – einer Region, die für ihre verschnittenen Billigweine berüchtigt war – in die Weltelite des Weinbaus. Vor allem ihre Rieslinge zählen zum Besten, was man an Weißwein kaufen kann. „Wir wollen, dass man die Herkunft unserer Weine maximal schmeckt“, erklärt Tobias Knewitz, der mich auf eine Tour durch die Weinberge mitnimmt. „Unsere Reben wachsen auf Gestein, das vor vierzig Millionen Jahren hier entstanden ist. Trotzdem ändert sich die Beschaffenheit manchmal alle vierzig oder fünfzig Meter. Deshalb verwenden wir jeweils nur die Trauben aus einem kleinen Weinberg.“

Zehn Jahre Tiefenwachstum benötigt eine Rebe, ehe sie Tobias Knewitz’ Ansprüchen genügt, zehn Jahre, in denen der Weinberg ohne Ertrag gehegt und gepflegt werden muss, weshalb ein Riesling aus den besten Lagen durchaus mit bis zu 50 Euro zu Buche schlagen kann. Aber schon bei den günstigen Guts- und Ortsweinen kann man die Mineralität des Weins riechen und schmecken.

„Als wir anfingen, hatte Rheinhessen nicht gerade das beste Image“

Knewitz’ Lagen bestehen fast ausschließlich aus Kalkböden, die seinen Weinen eine runde, fruchtige Eleganz verleihen. Für Riesling-Novizen wie den Verfasser, der wegen Magenproblemen viele Jahrzehnte einen Bogen um die Königin des deutschen Weinbaus machte, ein idealer Einstieg in ein komplexes Universum. Mindestens genauso spannend sind die Rieslinge, die Christian Runkel auf den Schiefer- und Quarzitböden am berühmten Scharlachberg anbaut. Wirken sie beim ersten Schluck noch ein wenig verschlossen, entfalten sie schnell eine mineralische Konzentriertheit, die an Klarheit und Reinheit kaum zu überbieten ist.

„Da hinzukommen war nicht einfach“, sagt Runkel. „Als wir anfingen, hatte Rheinhessen nicht gerade das beste Image.“ Was an der Massenproduktion billiger Weine lag, die während des Wirtschaftswunders die Qualitätsweine verdrängten. Dabei besitzt die Region eine
jahrhundertealte Tradition. Einige der Weinberge die Knewitz und Runkel bewirtschaften, wurden schon im 12. Jahrhundert urkundlich erwähnt. Und noch Anfang des 20. Jahrhunderts kostete eine Flasche Riesling doppelt so viel wie eine Flasche Bordeaux.

„Die Nazis haben unglaublich viel zerstört“, sagt Christian Runkel. „Die haben die vielen, vielen jüdischen Weinbauern und -händler enteignet, ins Exil getrieben oder ermordet. Das ist alles noch gar nicht endgültig erforscht.“ Die Wende zum Besseren vollzog sich erst 2002, als sich ein paar qualitätshungrige Jungwinzer um die Wortführer Klaus Peter Keller, Philipp Wittmann und Carolin Spanier-Gillot zu der Winzervereinigung Message In A Bottle zusammentaten und den Weinanbau revolutionierten.

Zwar hatten schon die Eltern von Knewitz und Runkel seit den Achtzigern ordentlichen Wein produziert, aber der Fokus lag auf Massenweinen. Knewitz und Runkel indes schlossen sich, kaum hatten sie ihre Ausbildung beendet, der Bewegung an. Runkels Gut ist mittlerweile Mitglied im prestigeträchtigen Verband Deutscher Prädikatsweingüter, in dem sich rund 200 Weingüter auf einheitliche Qualitätstandards verpflichten. Knewitz hofft, nächstes Jahr aufgenommen zu werden. Doch ihm ist das nicht mehr genug – er ist dabei, das Gut auf biologischen Anbau umzustellen.

Anmerkung: An der Ahr hat die Flutkatastrophe den Winzern brutal zugesetzt. Wer sie unterstützen will, kann auf der Website des Weinguts St. Antony für 65 Euro eine Kiste verdammt guter weine erwerben, die Winzer aus ganz Deutschland gespendet haben. Der Erlös geht an die Ahr-Winzer: www.st-antony.de/SOLIDAHRITAET/solida-h-titaet-paket.

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