Limo von der Heimatfront

Warum es nicht schadet, wenn junge Leute ab und zu mal nachfragen, ob ihre Lieblings-Stars vielleicht Nazis sind

Als ich neulich abends mal wieder über Deutschland nachdachte, machte ich den Fernseher an und sah einen Affen. Einen typisch deutschen Affen, wie den, der in Siebziger-Jahre-Komödien oft neben Theo Lingen oder Günther Philipp den (vermeintlichen!) Onkel aus Amerika spielte oder in den Achtzigern mit der Stimme von Otto Waalkes eine Musiksendung moderierte. Zuerst dachte ich, Sarah Kuttner hätte sich eine lustige Maske aufgesetzt, aber es war ein Werbespot. Der Affe machte eine Ansage, dann sah ich Wolfgang Grupp, den Chef der Tennismode-Marke Trigema, durch eine Herstellungshalle laufen. Aufrecht den fleißigen Klang der Nähmaschinen übertönend, sprach er von seinen 1200 Arbeitsplätzen, die er alle halten werde, weil er ausschließlich „in Deutschland“ produziere. Wie immer, wenn man das Wort zu laut ausspricht, stülpten sich ihm beim „eu“ die Lippen nach vorne, verkrampften sich dabei seine Augenbrauen. Im Abspann meinte der Affe noch sinngemäß, man solle nicht bei Leuten kaufen; die Arbeitsplätze in irgendwelche Ausländer schmuggeln, schwarz-rot-goldene Streifen blinkten: „Beste Qualität“.

Man spürt das besonders in Monaten, in denen das Land häufiger als sowieso von einfallslosen Karikaturisten als großer Dampfer gezeichnet wird, mit einem Steuerrad, auf dem „Reformen“ steht, weil Reformen so abstrakt sind. Wenn Leute auf der Straße ernsthaft „Wir sind das Volk!“ rufen, obwohl sie eigentlich gar kein Volk sein wollen. Obwohl die eine Hälfte nur mitdemonstriert, weil sie auf keinen Fall gleich schlecht behandelt werden will wie die andere Hälfte, die so wenig auf dem Konto hat, dass man davon eh nichts auf egal welches Arbeitslosengeld anrechnen kann. Wenn dann noch die Zeitungen voller Hitler-Bilder sind und dem Film-Produzenten zwischen lauter empfindsamen Korrektheiten die Bemerkung entrutscht, er habe das auch deshalb machen müssen, damit ihm kein ausländischer Produzent zuvorkommt. Dann fühlt man sich schlagartig so deutsch, dass einem kotzübel werden kann. Ab und zu ist das zur Selbstabschreckung ganz gut.

Und dann kriegen manchmal Leute eins aufs Maul, die eigentlich viel zu dämlich sind, als dass man sie für ihren Stuss überhaupt zur Rechenschaft ziehen dürfte. Ich meine nicht den Sänger von Wolfsheim mit seinem unglaublich ekelhaften Trümmerfrauen-Lied „Wir sind wir“, einer durchsichtigen Provokation. Es geht um die Berliner Band Virginia Jetzt!, deren Landschulheim-Tagebuch-Lyrik bisher keinen geschert hat. Im neuen Song „Liebeslieder“ hat der Texter dann seine Ratlosigkeit am Cola-Limo-Stammtisch bis zu Ende gedacht: „Ich will sagen können, was gut ist/ Was ich jeden Tag hier seh/ Das sind mein Land, meine Menschen/ Das ist die Welt, die ich versteh.“ Weil er selbst merkte, was für ein behaglicher Blödsinn das ist, markierte er das als Zitat von Randy Newman und berief sich in einem Presse-Heft auf Jochen Distelmeyer von Blumfeld, der mal geklagt habe, dass man so was nicht singen könne in Deutschland.

Doppeltes Pech. Erstens hatten Virginia den Leuten in den Internet-Foren, denen die Hamsterbacken schon lange ein Gräuel waren, endlich ein griffiges Argument geschenkt. Zweitens hatten Blumfeld, die schlauen Füchse, nur gewartet auf einen solchen Krampengewehr-Angriff: Auf ihrer Website distanzierten sie gleich noch von Mias Schwarz-Rot-Gold-Lied, der Deutsch-Radio-Quote und muttersprachseligen Compilation-CDs. Im Virginia Jetzt!-Gästebuch bat ein Mädchen die Band treu um Aufklärung, ob sie nun Nazis seien oder nicht – eine Freundin habe die CD schon aus dem Fenster geworfen. Eigentlich schön, dass Jugendliche auch in der Verwirrung oft instinktiv das Richtige tun.

Obwohl es einen schon gruseln kann, wenn man diese Denkfaulheit riecht. Es sind ja nicht nur dumme Schüler, die auch im Virginia-Fall schneller als befürchtet damit kamen, dass man die Schuld der Großväter doch mal relativ sehen solle. Wahrscheinlich dieselben, die gegen den Irak-Krieg demonstriert haben, vielleicht jetzt gegen Hartz, weil sie sich eigentlich nach einem großen Papa sehnen, nach einem moralisch guten halt. Die mit pseudo-ironisch verfremdeten Deutschland-Fahnen und Heimatliedern einfach nicht das Richtige anzufangen wissen. „Die Quoten sind im Keller, es ist längst nicht mehr schön, und der ‚Stern‘ gibt uns Hitler – menschlich gesehen“, hat Bernd Begemann vor 15 Jahren gesungen. Nein, Deutschland ist nicht einfach so Pop. Wird es nie sein. Ihr braucht gar nicht so zu tun.

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