Nein statt Ja

ATER IM GEFÄNGNIS, viele Drogen und eine abgeblasene Hochzeit -John McCauley hat ein hartes Jahr hinter sich. Und es prompt auf dem neuen Deer-Tick-Album verarbeitet. Der altbekannte Mythos von der eigenen Kunst als Therapie: die Alternative-Folkrock-Band aus Rhode Island füllt ihn mit Leben.

McCauleys Vater, Lokalpolitiker in Providence, wurde vergangenes Jahr wegen Steuerbetrugs und Verschwörung zu 27 Monaten Gefängnis verurteilt. An seinem eigenen exzessiven Lebenswandel ging seine Verlobung mit Nikki Darlin von der Country-Band Those Darlins in die Brüche. Hinzu kamen Mc-Cauleys Drogenexzesse, die auf „Negativity“ ihre Spuren hinterlassen haben.

I m Gespräch mit dem ROLLING STONE gibt er sich wortkarg. Geräuschvoll schlürft er immer wieder aus seiner Kaffeetasse. Was die Musik angehe, passiere bei ihm alles ganz intuitiv. Aber warum klang der Vorgänger „Divine Providence“ weit mehr nach Selbstzerstörung und Grunge als das neue Album?“Dahinter steckt kein Entscheidungsprozess. Es ist einfach das, was zu der Zeit aus mir herauskam“, meint McCauley einsilbig.

Man wüsste auch gern, warum der atmosphärische Soundtrack zur Drogendokumentation „Oxyana“, den er zusammen mit Jonny Fritz aufgenommen hat, so anders klingt als das neue Werk seiner Band. Oder warum sich dieses Mal zu Country, Blues und Americana Pop von der großen Bühne gesellte. Darüber ist aus McCauley nichts herauszukriegen. Die längste Pause ergibt sich bei der Frage, was zuerst entstanden sei -Album oder Soundtrack. „Ich kann mich nicht erinnern“, antwortet er nach qualvollem Überlegen.

Das vergangene Jahr ist für den Hauptsongschreiber von Deer Tick ein großes schwarzes Loch. Wie gut sich seine Biografie in den neuen Songs widerspiegelt, zeigt sich erst, wenn man sie mit einigem Abstand hört – Musik aus der Feder eines Mannes, der sagt, er wollte ein melodisches Album machen, bei dem die Leute Spaß haben sollen, der dieses Werk aber „Negativity“ taufte.

„Hey Doll“ erzählt zu melancholischem Klavier und sentimentalen Streichern fast zu offensichtlich vom schmerzhaften Ende einer Beziehung, um bierernst gemeint zu sein. Glaubwürdiger wirkt McCauley aber ausgerechnet da, wo es klischeehaft zugeht, etwa in „Big House“, das nur von einer Akustikgitarre und seiner von Schnaps und Kippen gegerbten Stimme getragen wird. Insgesamt besticht „Negativity“ durch jene Form der Ironie, in der immer ein Körnchen Wahrheit steckt, zum Beispiel, wenn es um McCauleys Drogensucht geht: „Ich denke, das ist Teil meiner Persönlichkeit. Aber ich bin froh, dass es vorbei ist.“

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