Oscars: Warum gewinnen „Beste Filme“ immer weniger Academy Awards?
„Spotlight“, „Argo“, Moonlight“: Die „besten Filme“ gewinnen nicht mehr zuverlässig auch die meisten und wichtigsten Oscars. In den letzten Jahren häuften sich Sieger-Werke, die ansonsten nur wenige Auszeichnungen versammelten. Woran liegt das?
Aus dem Archiv 2017:
Was hat „Moonlight“, der bei den Oscars 2017 als „Bester Film“ ausgezeichnet wurde, mit „Argo“ (2013), „12 Years A Slave“ (2014) und „Spotlight“ (2016) gemeinsam? Alle drei Filme erhielten bei den Academy Awards die Auszeichnung als „Bester Film“.
Viele Preise erhielten sie ansonsten aber nicht: „Moonlight“ insgesamt nur drei, darunter neben dem „Besten Film“ noch die nicht unwichtige, aber auch nicht hauptsächliche Schauspieler-Kategorie für den „Besten Nebendarsteller“ (Mahershala Ali), sowie das „Beste adaptierte Drehbuch“. Ben Afflecks „Argo“ erhielt ebenfalls drei, darunter für den besten Schnitt sowie auch „Bestes adaptiertes Drehbuch“.
Mit „Argo“ wurde erstmals ein Film gar als „bester“ ausgezeichnet, ohne überhaupt für die Regie (Ben Affleck) nominiert gewesen zu sein. Auch „12 Years A Slave“ wurde nach einem ähnlichen Muster bedacht: „Bester Film“, „Bestes Adaptiertes Drehbuch“ und „Beste Nebendarstellerin“ (Lupita Nyong’o).
Bester Film: Politische Diskussionen aufgegriffen
„Spotlight“ schoss gar den Vogel ab: So wenige Awards wie sonst noch nie ein „bester“ Oscar-Film. Neben dem „Best Picture“ nur noch das „Beste Originaldrehbuch“.
Damit verhärtet sich die Tendenz der Academy, in der theoretisch wichtigsten Kategorie Filme mit einem Preis zu bedenken, die in anderen Sparten weniger Chancen hätten. Möglicherweise alles politische Entscheidungen: „Moonlight“ und „12 Years A Slave“ behandelten Rassismus. „Argo“ den Iran. „Spotlight“ die Arbeit von Zeitungen in Zeiten von „Lügenpresse“-Vorwürfen. So spiegeln die „Best Pictures“ oft nicht konkrete Leistungsarbeiten einzelner Beteiligter, sondern sind, wie etwa oft die Goldener-Bär-Gewinner auf der Berlinale, Würdigungen von Werken, die die jeweilige Ära reflektieren.
Wann gibt’s endlich wieder einen großen Abräumer?
Die Frage darf aber auch sein: Sollte als „Bester Film“ nicht derjenige gewürdigt werden, der auch die meisten Statuen einheimst? Es müsste vorher eine Entscheidung getroffen werden (können), ob der Film ein bester ist, weil er die meisten Academy-Award-Stimmen (in verschiedenen Kategorien) auf sich vereint. Oder ob er eben ein politisches Signal nach außen geben soll. Dann landet man nicht etwa beim „Herr der Ringe: Die Rückkehr des Königs“, der 2003 elf Oscars erhielt. Sondern bei „Spotlight“ mit zwei.
Fast zehn Jahre ist es schon her, dass die magische Grenze von sieben Oscars durchbrochen wurde. 2008 gewann Danny Boyle mit seinem „Slumdog Millionaire“ acht Academy Awards.
In den letzten Jahren mehrten sich die Stimmen, die der Academy einseitige Beurteilungen vorwarfen. „Oscars So White“ hieß eine – berechtigte – Kritik: Die Jury würde schwarze Filmschaffende nicht ausreichend würdigen. Vielleicht ist die Tendenz des Oscar-Clubs, nun möglichst vielen verschiedenen Filmen zumindest einige Preise zu verleihen, auch ein Ergebnis davon. So bekommt der große Sieger weniger.
Es hilft ein Blick auf die Filme, die in denselben Jahren mit dem – in Wirklichkeit wichtigeren – Regie-Oscar bedacht wurden. In dieser Kategorie gab es Academy Awards für Werke, die für die Jury, die über den „Besten Film“ entscheidet, vielleicht einen Tick zu technisch, revolutionär – oder einfach zu fremd waren.
Im Jahr von „12 Years A Slave“ gewann Alfonso Cuarón für „Gravity“ – das war Sci-Fi, konnte also keinen Oscar für den „Besten Film“ bekommen. In diesem Jahr schlug Damien Chazelle mit seinem Musical „La La Land“ als Regisseur Barry Jenkins‘ „Moonlight“. Im „Argo“-Jahr wurde Ang Lee für „Life Of Pi“ bedacht, einem Fantasy-Film. „Spotlight“ wiederum musste sich Alejandro G. Iñárritu und dessen Regie-Leistung in „The Revenant“ geschlagen geben.
Ang Lee ist mit der Situation übrigens vertraut. Sein hochklassiges Drama „Brokeback Mountain“ verlor 2005 als „Bester Film“ gegen Paul Haggis‘ „L.A. Crash“ (auch dies ein „Best Picture“ mit nur drei Awards: „Bestes Originaldrehbuch“ und „Schnitt“), aber er bekam immerhin seinen ersten Regie-Oscar. Damals und heute sind sich alle darüber einig, dass „Brokeback Mountain“ einzig wegen seines Themas nicht als „Bester Film“ gewürdigt wurde: Homosexualität. War der Jury einfach zu unbequem.
Historie: Wenige Oscars für den „Besten Film“ sind aber auch nicht selten
Zwar gab es in der Vergangenheit schon einge paar „Beste Filme“, die weniger Academy Awards erhielten als Konkurrenten in demselben Jahr („Moonlight“ verlor mit drei gegen „La La Land“ mit sechs). Jedoch waren die Preise stets in hochrangigen Sparten angesiedelt:
„Rocky“ erhielt 1976 auch nur drei Statuetten, neben „Film“ und „Schnitt“ aber eben auch „Regie“. Das Boxer-Drama setzte sich, in einem der härtesten Jahre der Oscar-Geschichte, gegen „Taxi Driver“, „Network“ und „All The President’s Men“ durch. Wäre hier in der Vergabe des „Besten Film“ politisch entschieden worden, „Rocky“ wäre wohl nicht auf dem Siegertreppchen gelandet, sondern Letzter.
Auch „Der Pate“ bekam 1973 drei Oscars. Neben dem „Film“ noch „Adaptiertes Drehbuch“ und, immerhin, nicht Neben- sondern Hauptdarsteller (Marlon Brando). Bob Fosses „Cabaret“ erhielt im selben Jahr acht, darunter die „Beste Regie“.
Vielleicht ja ganz gut, dass Francis Ford Coppola, Regisseur der „Paten“-Filme, nicht für den ersten, sondern erst den zweiten Teil 1975 seinen Regie-Oscar erhielt. Coppola war damals 35, der jüngste Sieger im Fach. Der aktuelle Gewinner in der Kategorie, Damien Chazelle für „La La Land“, ist jetzt erst 32. Und damit nun in jener Sparte der jüngste Gewinner aller Zeiten.
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