Ray Davies – Berlin, Universität der Künste

Trotz einiger Anbiederungen beim Publikum spielt sich Ray Davies auch ins Herz der letzten Zweifler

Zum Hit-Medley, jener obligaten Ramschaktion im Karriereschlussverkauf minderer Künstler, hat Ray Davies nie Zuflucht genommen. Eine Frage der Würde. Was den gewieften Songmeister nicht davon abhält, seine kompositorischen Kleinode bei Konzerten unter Wert feilzubieten, per Publikums-Animation. Spaßeshalber, wie er sagt. Immerhin fühle er sich der Vaudeville-Tradition verbunden, der volksnahen Burleske. Fair enough. Auch wenn es der Belustigung keinen Abbruch täte, wenigstens in der Versmitte so erhabener Songs wie „Dead End Street“ oder „Days“ auf Call & Response-Einlagen der Marke „Heyoo-hehe-he-heyyooo“ zu verzichten. Vorbehalte, die im vollbesetzten Konzertsaal der UdK allenfalls von einer Minorität geteilt werden, die überwiegende Mehrheit singt und klatscht, frisst dem Troubadour dankbar aus der Hand. Ein ritueller Rapport, den Ray Davies inspiriert und so gut gelaunt dirigiert, dass sich sein Grinsen nur kurz verflüchtigt, wenn etwa die lausige Tonanlage Anlass zu Ärger gibt. Und selbst dieser wird humoristisch verwertet, dient als Spontanaufhänger für den nächsten Song. Ohnehin erweist sich Ray Davies als glänzender Dramaturg, vom solo vorgetragenen frühen Trutzstück „I’m Not Like Everybody Else“ bis zum Rausschmeißer, einer Akkordeon-verschunkelten Version von „You Really Got Me“. Dazwischen halten sich alte Kinks-Favoriten und die Songs vom

aktuellen Album „Other People’s Lives“ ungefähr die Waage.

In Letztere, wen wundert’s, legt sich Davies mit einer Extraportion Aplomb, erläuternd und theatralisierend. Die vierköpfige Band spielt dazu kommoden Rock, mit Folk-Flair oder rustikal zupackend. Bei Bedarf gar floydianisch-behumst, während der Star zum Hemdwechsel mal eben die Bühne verlässt. Instrumentale Kompetenz, die aber auch ein wenig nivelliert, wovon die schwächeren der neuen Songs profitieren, so das überdramatisierte „The Tourist“, während die besseren wie „The Getaway“ tendenziell eher verläppern. Auf „Waterloo Sunset“ wartet man vergebens, dafür erfreut Davies mit dem pastoralen „Village Green“ und gleich zwei selten zur Aufführung gebrachten Songs aus der fabelhaften LP „Muswell Hillbillies“: „2Oth Century Man“, unerschütterlich in seinem Nonkonformismus, und das der älteren Schwester gewidmete Sehnsuchtslied „Oklahoma USA“. Großartig gesungen, auch wenn die oberen Stimmregister inzwischen unerreichbar scheinen. Vielleicht nur eine Frage der Tagesform, denn dieser Abend lehrt: form is temporary, class is permanent.

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