Äänipää Through A Pre-Memory

Krdldrkrrrrsch schnckschnckschnck fiep. Die schönsten Kratz-, Knirsch-und Kreischgeräusche des zu Ende gehenden Jahres beschert uns das Duo Äänipää. Zwei Großmeister des romantisch-ohrenzerfetzenden Krachs geben sich darin ein Stelldichein: Mika Vainio montiert sonst in dem Projekt Pan Sonic hirnsägende Sinustöne aus dem Computer; Stephen O’Malley hat mit den Krachkuttenmönchen von SunnO))) die tollsten Gitarrenrückkopplungskompositionen seit Lou Reeds „Metal Machine Music“ erschaffen. Anders, als man eventuell vermuten könnte, bieten Äänipää auf ihrem Albumdebüt „Through A Pre-Memory“(Editions Mego) nun aber nicht nur Gitarrenrückkopplungen und Sinustöne. Es gibt auch ein atonal fiedelndes Streichtrio unter Leitung des Bratschisten Eyvind Kang zu hören sowie ein überaus inspiriertes Kunstgegrunz und Gezeter von dem Doom-Metal-Sänger Alan Dubin, der sich dabei nach eigenen Angaben an der russischen Dichterin Anna Achmatowa orientiert.

Gemastert wurde das Album übrigens im Berliner Dubplates-&-Mastering-Studio von Rashad Becker, dem Großmeister unter den Meister-Masterern unserer Tage. Von Emika bis zu Brandt Brauer Frick, von Francesco Tristano bis zu Alva Noto hat Becker in den vergangenen Jahren an Hunderten von Avantgarde-, Krach-und Tanzmusikplatten mitgewirkt. Erstmals hat er nun auch ein Album mit eigenen Kompositionen vorgelegt. Auf „Traditional Music Of Notional Species Vol. I“(PAN) modelliert Becker rätselhaft schöne Töne undefinierbaren Ursprungs zu acht Stücken, die „Themes I -IV“ heißen und „Dances I -IV“, wobei man wohl kaum darauf hinweisen muss, dass die „Themes“ keine erkennbaren Themen besitzen und „Dances“ vollständig untanzbar sind. Aber so liebevoll abgerundetes hohles Pochen, schnaufendes Schwingen und sägendes Sirren hört man sonst selten.

Auch auf der neuen Platte von Lucrecia Dalt spielt untanzbares Gepoche eine tragende Rolle. Auf „Syzygy“(Human Ear Music) singt die in Berlin lebende Kolumbianerin mit leiser, oft sacht vocoder-verfremdeter Stimme liebliche Lieder zu fies sich ins Ohr fräsenden Störgeräuschen oder einem trüb dahintropfenden Beat. Man kann sich ihre Musik wie eine kargere Ausgabe von Julia Holter vorstellen, passenderweise hat Dalt diese auf der aktuellen Tournee auch als Support unterstützt.

Den zweifellos weihnachtlichsten Krach der Saison finden wir aber auf der neuen Platte des kanadischen Komponisten Tim Hecker. Schon auf seinem letzten Werk, „Ravedeath, 1972“ aus dem Jahr 2011, hatte Hecker einen Hang zum Sakralen bewiesen; die darauf zu hörende Musik bestand ausschließlich aus elektronisch modulierten Drones von einer gewaltigen Kirchenorgel in Reykjavik. „Virgins“(Kranky) ist nun -ähnlich wie das Debüt von Äänipää -aus dem Zusammenspiel von Hecker an elektronischen Instrumenten mit einer kleinen Gruppe von Orchestermusikern entstanden; beteiligt waren unter anderem Ben Frost und der von Antony &the Johnsons bekannte Arrangeur Nico Muhly. Anders als bei Äänipää entstanden die Aufnahmen aber live und unter kammermusikalischen Bedingungen: Die schwellenden, stehenden und wehenden Drones, das klappernde präparierte Klavier und die unheilig tief schnarrenden Streicher teilen sich hörbar den gleichen Raum und verteilen sich in diesem in der plastischsten Weise: große, ergreifende, gleichermaßen intime und erhabene Musik.

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