Alexandra – Die Stimme der Sehnsucht
Sie hieß Doris Treitz und war ein Flüchtlingskind aus dem Memelland, aber für die Deutschen der 60er Jahre war sie unter dem Namen Alexandra der Inbegriff des Slawischen, der russischen Seele, des melancholischen Bären. Dabei musste die Familie gerade vor der Roten Armee nach Kiel flüchten. Doris heiratete mit 19 einen „30 Jahre älteren Russen“, wie es heißt, der dann in die USA emigrierte, seine Frau mit dem Sohn Alexander zurücklassend. Die 20-Jährige bewarb sich an Schauspielschulen, finanzierte den Unterricht dann mit Zeichnen, wurde in Neumünster engagiert, unterschrieb einen Plattenvertrag bei den Vaterfiguren Hans Beierlein und Fred Weyrauch, triumphierte mit dem „Zigeunerjungen‘, zog von Hamburg nach München und starb mit 27 in einem Cabrio, auf dem Weg nach Sylt.
Alexandras theatralische Stimme brachte das Pathos des Fremdartigen in den deutschen Alltag – Vaters Getränkebude mit Selters und Bier liegt gegenüber dem unheimlichen Zirkus- oder Rummelplatz, wo dunkle Gesellen „Hereinspaziert!“ rufen und der „Zigeunerjunge“ am Feuer tanzt, um dann weiter zu ziehen. „Mein Freund, der Baum“ hat das Drama und das Arrangement von Scott Walkers größten Schnulzen (und von „The Days Of Pearly Spencer“) und nahm die Öko-Bewegung vorweg. Udo Jürgens schrieb „Illusionen“ für diese verschattete Grazie, Yves Montand, Salavatore Adamo und Gilbert Becaud bewunderten sie.
Alexandra bediente das Klischee, sang vom Kaukasus, der schwarzen Balalaika und den schwarzen Engeln, von Abschied, Herbst und Herzeleid und früher Einsamkeit. „Those Were The Days“ schien 1968 wie für sie geschrieben. Fürs Fernsehen posierte Alexandra am Wasser, im Wattenmeer, in Baumkronen sitzend, am Straßenrand hinter Autos schlendernd, auch am Strand von Rio de Janeiro, sogar keck einen Jeep durch die Straßen steuernd. Den Gesangsbewerb in Rio konnte sie nicht gewinnen, erzählte sie über den Bildern von Truck Branss (in „Portrait in Musik“ auf der DVD), denn der Brasilianer müsse klatschen, klopfen und tanzen können – und zu Alexandras Balladen konnte man nur weinen und sich sehnen.
Alexandra war tot, als Dieter Thomas Heck aus dem deutschen Schlager eine Branche machte. Sie alle sangen dann solche Lieder der Sehnsucht und des Fernwehs, aber Doris Treitz konnte keiner je beikommen. Those were the days, my friend, we thought they’d never end.