Alternativen :: von Michael Ruff
Als Boss des Trios Archers Of Loaf hat Eric Bachmann alles getan, um dem blödschwammigen Begriff „Post-Grunge“ einen guten Namen zu geben. Unter dem bestechenden Pseudonym BARRY BLACK geht er noch einen Schritt weiter: War sein Debüt-Album (1995) eine bizarre, aber überaus hörbare Mixtur aus New Orleans-Bläsern, asiatischer Folklore und orchestralen Miniaturen, so wandelt er diesmal auf den Spuren von Europas klassischen Komponisten der Moderne, insbesondere Sergej Prokofiew (ja: „Peter And The Wolf). „Tragic Animal Stories“ (Alias/RTD) klingt wie eine imaginäre Ballettmusik als Soundtrack für Tierfilme – frei nach dem Motto: Die Aliens sind unter uns. 3,5
Eingeweihten ist Herr TERRY EDWARDS als Mitglied von Gallon Drunk sowie als sehr wandlungsfahiger Multiinstrumentalist bekannt Sein neues Quartett, Scapegoats, überzeugt auf „Didn’t Get Where I Am Today“ mit Bar-Atmosphäre, kräftigen Bläsersätzen und zackigem Jazz-Dance. Ebenso sehr gut: psychedelische Nummern und das organisierte Chaos des Titelstücks. Doch in dieser beeindruckenden Vielseitigkeit gibt es auch Schatten: So gleitet der theatralische dirty blues „I Lick My Low-Life Low“ schnell ins Peinliche ab, zumal Edwards als Sänger keine überzeugende Figur abgibt. So bleibt unter dem Strich eine zwar nicht perfekte, aber doch aufs schönste unterhaltsame Platte. 3,5
Wie schafft man es, österreichische Volksmusik vom provinziellen Flair zu befreien? Dieser Frage widmet sich das gesamte Schaffen von ATTWENGER. Seit Jahren machen sie Furore als schrullige Ländler-Erneuerer, die den Heustadel zum Tanzen bringen und dabei an gar nichts Böses denken. Naiv sind sie nicht, jedoch auch keine Sound-Theoretiker: Hier schlagen zwei Herzen als eines – in merkwürdigen Takten und Rhythmen. Nach den gewagten HipHop-Experimenten vom vorletzten Jahr arbeitet das Duo auf „Songs“ (Trikont/Indigo) nun ausschließlich mit Akkordeon, Schlagwerk und sparsamer Elektronik. Auf minimalistische Weise gekonnt vermischen sie simple Motive heimatlicher Trachtentänze mit dem unendlichen Puls afroasiatischer Rhythmen und versetzen den Hörer damit in alpinistisch-surteale Trance-Zustände. Weltmusik ohne Ethno-Kitsch. 4,0
Geht es um die Anzahl der Worte pro Minute, so kann die Hamburger Gruppe BRÜLLEN es jederzeit mit jedem Rapper aufnehmen. Damit enden die Parallelen aber auch schon. Vom Instrumentarium her erinnert „Schatzitude“(Buback/Indigo) erst mal an Blumfeld – nicht zuletzt aufgrund der dominanten Songtexte von Kristof Schreuf. Doch klingen die Gitarren weit schreuffer, der Gesang heiserer und auch der Rhythmus kantiger. Dazu nimmt der Baß eine Sonderstellung ein, indem er den kompromißlos radikalen Charakter der Songs mit ein paar hübschen Jazz-Ornamenten umspielt Der engagierte Gesang beißt sich manchmal allerdings mit dem oft zu wortspielhaften Text. 3,5
Und noch mehr Text: der New Yorker Gitarrist und Klangkünstler CHARLES CURTIS hat mit seinem Trio eine CD gemacht, die auf derart provizierende Weise einlullend wirkt, daß man schon wieder aufhorchen muß. Nachdenklich vorgetragene Tagebuch-Poeme über Psychodramen und Katzenflöhe vor nebensächlicher Begleitmusik? Dabei verdient Curtis sein Geld eigentlich als studierter Cellist Gut, daß schon das gräßliche Cover-Design von „Lesser Writings“ (Strangeways/Indigo) warnt. 2,0
Nach soviel intensivem Zuhören darf man sich ganz ungeniert dem spätsommerlich-melodiösen Post-Grunge des neuen Albums von SUPERCHUNK hingeben. „Indoor Living“ (City Slang/EFA) klingt introvertiert, aber nie versponnen, und stellt dem Quartett aus North Carolina das ersehnte Reifezeugnis aus, überreicht vom Büro für alles zwischen Afghan Whigs und R.E.M. Damit sollte die verdiente Anerkennung für diese schon lange tätige Band nun doch endlich sichergestellt sein. 4,0