Ani DiFranco – So Much Shouting, So Much Laughter: Schon wieder ein Doppel-Album der Unermüdlichen -— live :: RIGHTEOUS BABE
Eine Beobachtung aus Schultagen: Als Mitschülerinnen bewusst wurde, dass Mädchensein weniger mit Biologie und mehr mit Gesellschaft zu tun hat, wurden meist Songschreiberinnen als Identifikationsmodelle besonders wichtig. Damals waren das Tracy Chapman und dann Alanis Morissette. Aber es gab auch ein Mädchen, das Ani DiFranco mochte. Es trug meist weite Pullover, zerschlissene Jeans und war ein bisschen faszinierender ab die anderen. Es war die beste Freundin, weil man das so nannte, wenn man bei einem Mädchen abblitzte, aber nicht so ganz gehen mochte. Oft saß man mit eben dieser besten Freundin in ihrem Jugendzimmer, trank Tee, hörte Ani DiFranco und sprach über Simone de Beauvoir und Greenpeace. So waren Ani-DiFranco-Alben immer, trotz aller globalpolitischen Implikationen, kleine Feiern des Privaten.
Und nun ein Doppel-Live-Album. Schon das zweite nach dem 1997er „Living In Clip“. Große Band mit bestimmt guten Musikern, druckvoller Sound, ein Spur Funk. Viel zu viel Gedöns für diese zerbrechlichen Songs. Drei neue Stücke sind dabei, eines inspiriert vom 11. September. Natürlich spielen sie auch „Not A Pretty Girl“, „Dilate“ und „32 Flavors“, aber leider nicht „Buildings And Bridges“ oder „Shy“. Eine seltsam ausgelassene Stimmung im Publikum. Denn es macht ja Spaß, einer so quirligen Performerin wie Ani DiFranco auf der Bühne zu sehen. Trotzdem denken einige vielleicht auch ein bisschen wehmütig an Jugendzimmer, Tee und nächtliche Diskussionen zurück und wünschen sich, die Band würde gehen und es blieben nur diese spitzbübische Stimme und eine Gitarre.
Vor einigen Monaten telefonierte der Rezensent nach etlichen Jahren erstmals wieder mit seiner besten Freundin aus Schulzeiten, um ihr zu verkünden, dass er sein erstes Ani Di-Franco-Konzert besucht hatte. „Verräter“, zischte diese am anderen Ende der Leitung und legte auf.