Babybird – Bugged

Als Pop erfunden wurde, in der so genannten guten alten Zeit, hat man morgens eine Platte aufgenommen, und abends lief sie schon im Radio. Pop war der Moment, die Idee, ein Augenblick der Euphorie und der Inspiration. Raus damit! Pop war nicht gestern, nicht morgen und schon gar nicht ein halbes Jahr Produktionszeit in acht verschiedenen Studios dies- und jenseits des Atlantiks. Sondern „to be here now“, wie es John Lennon einmal formulierte.

Es gehört zu den großen Errungenschaften der DJ-Kultur, dass dies heute wieder genauso ist – nicht wenige bahnbrechende Songs der letzten Jahre sind, wenn nicht gleich live in der DJ-Kanzel, Samstagnachmittag zwischen Lunch und Tee entstanden und noch vor dem Mitternachtsläuten dreimal im Club gespielt worden. Am nächsten Wochenende gab es dann einen neuen. Stephen Jones, der Mann, der sich Babybird nennt, ist zwar kein DJ, und seine Musik geht nicht wirklich als Clubmusik durch, doch er ist unzweifelhaft, geradezu auf archetypische Weise, ein Kind dieser Kultur: ein Singer-Songwriter im Post-Rave-Zeitalter. Seine Musik ist für das Hier und Jetzt, reine Beschreibung, Ausdruck des Spontanen, pure Momentaufnahme, ohne jede selbstgerechte Illusion auf Überdauern des Moments

– im Grunde Pop in seiner reinsten Form.

„Bugged“ ist Babybirds achtes Album in fünf Jahren, er hat sie allesamt allein in seinem Hobbykeller in Sheffield produziert – jeder Einfall wird sofort zum Song. Der Mann ist ein Perfektionist des Unmittelbaren, ein absurder Künstler im Camus’schen Sinne: Denn er verfolgt bewusst eine Ethik der Quantität – nach Qualität streben und also nach einem tieferen Sinn zu suchen hält er nicht für seine Aufgabe. Er sieht den Popmusiker als das, was er ist: als Darsteller des Vergänglichen. Babybird ist ein Großer seiner Zunft.

Natürlich auch, weil er ein erstklassiger Songsschreiber ist. Wer ihn nur von seinem bislang einzigen großen Single-Erfolg – „You’re Gorgeous“ kennt, mutmaßlich die meisten also wird mit diesem Album nicht die geringsten Probleme bekommen: Jones malt Vignetten des alltäglichen Wahn und Widersinns, umhüllt von Mollumflorten Weisen, mal mit lässigen HipHop-Loops gesprenkelt, mal von psychedelisch-aufgeregten Gitarren grundiert. Jeder Song mit einem Maximum an Wissen und einem Minimum an Hoffnung: Der beste Song, der herrliche Lagerfeuer-Hit „Out Of Sight“, endet mit den Zeilen „When you’re lonely and no-one comes around, it’s too late, make it now!“ Mach es jetzt!

Dieser Narr ist ein Weiser, würde Camus sagen. „Nichts ist so eitel wie die Hoffnung auf eine andere Welt“, heißt es ja bei dem. Dies ist auch die Lehre von Babybird. Dies ist die Lehre von Pop. Hoffe nicht! Lebe! Be here now!

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