Baroness :: Berlin, Magnet
Zärtlichkeit ist die neue Härte: Das erstaunlichste Rock-Album der Saison stammt von dem amerikanischen Quartett Baroness. Auf „Yellow & Green“ verbinden sich erdschwere Metal-Riffs mit blumenweich die Tonleiter auf und ab tirilierendem Gitarrengeträller. Dazu hört man harmonische Satzgesänge, in denen zornige Männer sich in melodischer Weise mit der Beschaffenheit des eigenen Körpers befassen; so bekundet Sänger John Dyer Baizley in dem Stück „Eula“, dass er den Geschmack seiner eigenen Zunge nicht mehr vergessen kann. Auch auf den ersten beiden Baroness-Platten „Red“ (2007) und „Blue“ (2009) paarte sich virile Schwanzrock-Ästhetik mit softem Selbsterfahrungs-Pop. Doch ist „Yellow & Green“ noch weicher, in den Arrangements epischer und floraler geraten – woraufhin konservative Teile der Metal-Gemeinde sich von der Band abgewandt haben.
Zu Unrecht! Denn bei dem fabelhaften Konzert, das Baroness in Berlin absolvierten, waren die musikalischen Männlichkeitsposen wieder ausgiebig zu sehen. Im Gebrauch der Kopfstimme brillierte Baizley ebenso kunstvoll wie im Grunzgesang. Aber gleich welche Tonlage er auch pflegte, stets blickte er aus weit geöffneten Augen wie ein staunendes Reh in die enthemmte Menge – ein Poster-Boy des Post-Metal, der nicht nur wegen seiner sinnlichen Lippen und Kastenbarttracht jedem Mann zum Leitbild gereichen könnte.