Crash – von David Cronenberg

Wa(h)re Libido oder das Ende der Erotik. Geschlechtsteile degenerieren zu Sekundärmalen gegenüber Sadomasochisten-Mobilar und Gummikolben. Silikonbrüste blenden wie Scheinwerfer. Nummern in der Nacht 0190/661166. Ruf an! Die globale Kommunikation hat die totale Kopulation stärker befruchtet als die verklärte sexuelle Revolution. Der neoexzessive, von Medien verbreitete Sex genügt sich neben Karambolagen der Körper mit Kontakten, die als Chiffren auf dem Internet-Highway locken. Der Trieb ist der gleiche, nur die Symbole sind andere.

Von der ästhetischen Konstruktion eines Flugzeuges stimuliert, gibt sich Catherine (Deborah Unger) spontan einem Fremden hin. Ihr Mann Ballard (James Spader) hinkt nach einem Autounfall zum Wrack seiner Karosse und treibt es darin mit Helen (Holly Hunter), deren Mann beim Zusammenstoß starb. Beide verfallen dem morbiden, manischen Mobil-Messias und Masochisten Vaughan (Elias Koteas), der ohne Gurte die Todesfahrt von James Dean nachstellt und quasi als Erlkönig der Straßen in seinem monströsen 63er Lincoln-Cabriolet hinter Catherine herjagt. Die Yuppies und der Freak, eine blasphemische Dreieinigkeit als Vehikel für Sadomasochismus, Swingerszene und Schaulust. Chrom statt Latex, Fotos und Videos zermalmter Autos und Leichen ersetzen Pornographie, der Verkehrsstrom pulsiert wie gleichgeschaltete Gehirnströme. Emmannelle doesn’t live here anymore.

Cronenbergs Metaphern und Motive, J.G. Ballards 1973 veröffentlichten Roman entnommen, sind vordergründig angelegt. Man kann es aber auch Kalkül eines Laboranten nennen, der in einer Versuchsreihe seine Formel abhakt, die Reaktionen von Fleisch auf Blech steigert, bis sich die geschlechtlichen und geistigen Identitäten aufgelöst haben. Catherine erzählt Ballard vom unterschiedlichen Geschmack von Samen, der Film jedoch schmeckt nach nichts mehr, er ist nicht einmal geschmacklos. Steril seziert Cronenberg seine Bilder, die selbst in den ausschweifend gefilmten Sexszenen keine Wärme abstrahlen, aber kaum jemanden kalt lassen werden. Schon tönt die Phrase vom „provokativen Meisterwerk“, und bornierte Sentimentalisten verlassen das Kino. Sex ist hier so maschinell wie die Schienen, die Rosanna Arquette als verkrüppelte Zofe trägt, ein leibhaftiger Fetisch und die Inkarnation von Technologie, Drogen und androgyner Körperlichkeit. Doch die Grenzen, die überschritten werden, sind kein visionärer Schock. „Crash“ ist eine sinnige unsinnliche Bestandaufnahme, trotzdem von präziserer und physischerer Präsenz als das übliche Körperkino. Wo Narben sexy sind, begehrt Destruktion gegen Perfektion auf. Adäquat ist die Asdietik auf Selbstzerstörung ausgerichtet.

Der letzte Kick zur Zeit „Crash“ ist stilvoller Trash.

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