DANA & KAREN KLETTER – Dear Enemy :: RYKO/RTD

Manchmal scheint das Leben im allgemeinen und Musik im besonderen eine sinnlose, deprimierende Angelegenheit, vor allem, wenn man erst kürzlich die neuen Platten von Garbage, Lenny Kravitz und Tori Amos gehört hat, womöglich auch noch nacheinander. Nie wieder, so scheint es, wird die Sonne scheinen oder auch nur eine Platte, die die Zeit wert ist, die man braucht, um sie zu hören. Aber plötzlich ist alles hell, man denkt schon, man hätte die Kühlschranktür aufgelassen, aber ach was, es ist nur unser alter Kumpel Joe Boyd, ein Produzent und Heiliger, der mit Pink Floyd, Nick Drake, der Incredible String Band und vielen anderen große Klassiker schuf und jetzt mal eben die Wolken aufreißt: „Hier, ich habe wieder eine Platte produziert, nimm nur hin.“ Da strahlt das Firmament, die Vögel schweigen wie die Bäume, und endlich singen zwei Engel: Es sind Dana und Karen Kletter.

Engel? Ich meine natürlich: Zwillinge. Als Kinder, es gibt Fotos, waren Dana und Karen fast ununterscheidbar, wie Hörnchen. Auf dem Cover ihres gemeinsamen Debüts sind sie älter und eigenartiger, aber macht nichts, das Album handelt trotzdem vom Leben als Schwestern: von Problemen des Miteinanderredens, von der Familie und düsteren Phantasien. Zwischendurch ahnt man den jüdischen Hintergrund, es gibt sogar eine jiddische Nummer. Das ist alles recht komisch, wie eine Familientragödie von Woody Allen, aber letzten Endes überhaupt nicht lustig und schon mal gar nicht konsumfreundlich. Überhaupt nicht. Es ist klug, fragend, ernst, erwachsen. Die Mutter hat Auschwitz überlebt.

Die Platte ist also dunkel. Aber es ist eine wunderschöne Dunkelheit, durch die aberwitzig schöne, graziöse Melodien fließen, in der Klavier, Cello und Gitarre Wälder und Lichtungen malen, in der die Stimmen der Schwestern wie Vögel dahinziehen, als Formation in eine ferne Wärme reisend oder einander umschwirrend, in raren wahren Harmonien. Pure Schönheit. Und morbide Texte: „Karen died, she died, she lay down and died/ Then she stood up and walked into the next room/ And there she died, she died, she lay down and died/ All day every day she died.“ Aber: „Your mother wants to know if you’re Coming home for the weekend.“

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