David Byrne :: Ride, Rise, Roar

Begnadete Klangkörper

Von David Byrne kennen wir schon einige Filme – auch solche, die eigentlich nur ein Konzert zeigen. „Stop Making Sense“ war 1984 die Avantgarde der Popmusik schlechthin, und ein Jahr später schlugen die Talking Heads mit „Road To Nowhere“ in den Mainstream um. Seit dem Ende der Band versucht Byrne tapfer, sich beständig neu zu erfinden – und trägt doch bei jedem Konzert das Erbe mit sich. Das Album „Everything That Happens Will Happen Today“, mit dem alten Partner Brian Eno ausgedacht, sollte 2008 die Glorie von „Fear Of Music“, „Remain In Light“ und „My Life In The Bush Of Ghosts“ zurückbringen – doch Byrne ist das Ingenium des Songschreibens so abhandengekommen wie Eno die Magie der Produktion.

David Byrne hat indes immer die Inspiration durch andere Künste gesucht. Für die Konzerte im Jahr 2009 arbeitete er mit Choreografen und Tänzern an seinem Programm: Er ließ die Bewegungen zu den Stücken einstudieren, interessierte sich für die Proben und legte auch selbst mal ein Tänzchen aufs Parkett. „Ride, Rise, Roar“ ist deshalb auch ein Werkstattbericht, bei dem die Beteiligten mit oft sehr wolkigen Einlassungen zu hören sind. Der Zeremonienmeister freut sich über die interdisziplinären Studien, hat aber auch wieder diesen Norman-Bates-Blick, als müsste er Mutter gleich die Butterstullen bringen.Auf der Bühne mimen die Tänzer einmal die Musiker, die wiederum den moves der Artisten folgen. Synergie!

Leider unterbrechen die Backstage-Aufnahmen und Interviews das Konzert, bei dem die Tänzer in weißen Kostümen herumspringen, allerlei Schabernack treiben und sich in den Groove von Byrnes glänzender Band fallen lassen. „Once In A Lifetime“ eröffnet den Reigen, „I Zimbra“ passt mit afrikanischer Rhythmik zum wilden Tanz, und „Road To Nowhere“ wurde für das Ereignis umarrangiert. „The Great Curve“ war lange nicht von Byrne zu hören, und „Houses In Motion“, „Air“ und „Life During Wartime“ entfesseln jene animalische, ja animistische Verzauberung, die nur den Talking Heads gelang. Neue Stücke wie „I Feel My Stuff“ wirken immerhin nicht deplatziert.

Und so fährt das silbrige Großväterchen der Avantgarde auf seinem Fahrrad durch New York City, der Vergangenheit entgegen. (Eagle Vision) arne willander

Eddie Vedder kommt im Karohemd auf die Bühne geschlurft, Textblätter in der Hand, und nimmt sich erst mal die E-Gitarre. Es sieht aus, als könnte es ein normal grandioser Pearl-Jam-Abend werden, aber im August 2008 in Washington DC fehlt etwas: die Band. „Water On The Road“ dokumentiert die Solotournee des Sängers, der hier alles spielt, was er so kann: Coverversionen und PJ-Stücke, aber auch eigene vom „Into The Wild“-Soundtrack und „You’re True“, das auf den gerade veröffentlichten „Ukulele Songs“ zu finden ist. Ein buntes Programm also, das natürlich von Vedders Stimme zusammengehalten wird. Ob er nun „Around The Bend“, „Girl From The North Country“ oder „Forever Young“ singt, plötzlich ist alles eins, Vedder versinkt in sich selbst und reißt doch alle mit. Nur die eingestreuten Backstage-Impressionen und Strandbilder nerven. (Universal) birgit fuss

Im November 2010, 18 Jahre nach der Veröffentlichung von „Screamadelica“, wagten Primal Scream die Aufführung des Mythos: Sie spielten im Londoner Olympia zum ersten Mal das komplette Album. Vorsichtshalber luden sie Bläser und Gospelchor ein, auch psychedelische Projektionen sorgten für Stimmung bei der heiligen Messe der Generation Britpop. Dabei hätten die kraftvollen Melodien allein für genug Euphorie gesorgt, zumal Bobby Gillespie sich mal wieder richtig Mühe beim Singen gab und nicht nur beim zerquälten „Damaged“ manch hartgesottenen Pubbruder zum Weinen brachte. Auch auf der DVD: das konventionellere „Rock And Roll Set“, mit dem sie den Abend begannen. Und wem das noch nicht reicht: Gerade ist auch eine Dokumentation zu „Screamadelica“ aus der DVD-Reihe „Classic Albums“ erschienen, mit dem Live-Set als Bonus-CD. (Eagle Vision) birgit fuss

Es ist ihr erster Fernsehauftritt in Europa, sie haben knapp 50 Minuten Zeit. Genug! Bei den Ramones reicht das für 25 Stücke, mit denen sie das Bremer Publikum in Grund und Boden spielen. Als „a little tearjerker“ kündigt Joey Ramone mittendrin „Needles & Pins“ an, das tatsächlich unfassbar schwermütig klingt – natürlich nur, wenn man es mit dem schnellen Rest vergleicht. Am Ende sind die Punks vorn gut durchgeschüttelt und -geschwitzt, setzen sich aber nach Konzertende sofort wieder brav hin. Die waren gecastet, erzählt Jörg Sonntag von „Radio Bremen“ später – und dass er der Band geraten hat, lieber nicht aufs desinteressierte Publikum zu achten. All die Leute mit den verschränkten Armen erzählen heute sicher gern, dass sie damals beim legendären Ramones-Gig dabei waren. (Sireena) Birgit fuss

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