Drucksachen

„MINSTRELS IN THE GALLERY“ (Star Cluster, ca. 70 Mark) von David Rees ist die 1998 erschienene, hier erstmals übersetzt vorliegende „Geschichte von Jethro Tüll“. Rees ist Herausgeber des Tull-Fanzines „A New Day“, kennt die Protagonisten sehr gut, rühmt sich aber zu Recht einer durchaus kritischen Distanz zum Objekt seiner Obsession. Biografie, Stammbaum, Discografie, Konzert-Kalender: Mehr benötigt auch der loyalste Anhänger der fossilen Progressiv-Combonicht. 4,0 „HEAVY METAL“ (Reclam, 20 Mark) ist untertitelt „Geschichten, Bands und Platten“ und verfasst von einer Edelfeder, der auch in dieser Zeitschrift Sentenzen gelingen, die sprachlich herrlich überhöhen, was oft der Rede nicht wert ist: Frank Schäfer. „Heavy Metal ist ein Faustschlag ins biedermännische Heilewelt-Lächeln“, diagnostiziert er tapfer, „die Nachtseite des sozial verdrängten Schreckens – kurzum, der böse Geist, der stets das Gute schafft!“ Come again, Frank? War das nicht anders herum? Der biedermännische Faustschlag ins Kunst-Kontor, die sozial affirmative Seite des schrecklichen Geschmacks – kurzum, der tumbe Geist, der nur das Grobe schafft! Das kommt, methinks, der Sache näher. Was freilich das Lesevergnügen nicht schmälert, selbst dann nicht, wenn es auf 50 Seiten um Neuerscheinungen der letzten drei Jahre geht, unter der Trutz-Zeile „Heavy Metal lebt!“ 4,0

„ABBA – EINE KARRIERE IN BILDERN“ (Achterbahn Music, 40Mark) ist ebendas: ein Fotoalbum des genialischen Pop-Quartetts vom ehemaligen „Bravo“- Fotografen Wolfgang Heilemanri. Eine lustige Revue lauter Klamotten und pudeliger Frisuren, aber es waren ja alle hässlich in den kunterbunten Seventies. 2,5

„DON’T FORGET ME – THE EDDIE COCHRAN STORY“ (Mainstrem Publishing, ca. 45Mark) von Julie Mundy und Darrel Higham ist nicht die erste Biografie des Rock’n’Roll-Innovators, aber die gründlichste. Cochran wurde nur 21 Jahre alt, starb bereits 1960 bei einem Autounfall, doch hinterließ er in den kurzen Jahren seiner Karriere als Songwriter und Sänger, vor allem aber als Gitarrist und personifizierte Coolness einen nachhaltigen Eindruck auf spätere Generationen von Musikern. Hier kommen alle zu Wort: Familie, Freunde und Bewunderer. Besonders die Beiträge von Zeitgenossen und Kollegen wie Glen Glenn, Phil Everly oder Cliff Richard summieren sich zu einer recht genauen Charakterstudie des Gretsch-Genies, das in England jäh aus dem Leben gerissen wurde.

4,5 „NO ONE HERE GETS OUT ALIVE“ (Warner Books, ca. 30 Mark) von Jerry Hopkins und Daniel Sugerman – seit seiner Erstveröffentlichung 1980 mehrmals neu verlegt und unwesentlich erweitert – wird nun abermals in die Läden gepusht. Weil wohl nichts so förderlich ist fürs Klingeln der Kassen wie ein mediales Konzert zu einem runden Jubiläum. Dylans Wiegenfest neulich setzte da Maßstäbe. Jetzt also gilt es, den 30. Todestag eines Mannes zu begehen, der sicher zu den schillerndster Erscheinungen der Rockgeschichte zählt. Jim Morrison, dessen Andenken schon Oliver Stone mit seiner Doku-Soap „The Doors“ einen Bärendienst erwies, war nur periodisch im Einklang mit der Projektion als Lizard King, Endzeit-Poet, Leder-Ikone. Sugerman und Hopkins sind Fans, mogeln sich aber nicht um die hässlichen Seiten des präpotenten Sängers herum und überlassen es Michael McCIure, im Nachwort zu euphemisieren: „Jim was a metamorphic hero who thrilled us with his energy and daring“, lesen wir da. Und weiter: „When he ceased being the leather-clad sex symbol, he became the beautif ul wreck who blossomed into a chunky, bluesy singer“. Und dann in eine schöne Leiche. 4,0

„NIEMAND KOMMT HIER LEBEND RAUS“ (Heyne, 15Mark)ist die ebenfalls „aktualisierte und überarbeitete“ Taschenbuchausgabe des Standardwerks, ins Deutsche übersetzt natürlich. Nicht die Songtexte, dankenswerterweise. Aber andere Passagen, die besser im Original verblieben wären. Morrisons Odipus-Mantra im Epos „The End“ etwa. „Father, I want to kill you. Mother, I want to fuck you“. Von einem dementen Jimbo (der Terminus Technicus ist: „stoned“) ohne Unterlass gemurmelt: „Fuh th muh, kih th fah…“. Eingedeutscht: „Schla‘ d‘ Va, fi‘ d‘ Mu’…“. Umfänglicher Anhang. 3,0

„THE DOORS – TANZ IM FEUER“ (Lotsch, 18 Mark) von Hans Pfitzinger beleuchtet die Band und ihren Frontmann aus einer europäischen, soziologisierenden Perspektive. Morrison nicht bloß als Schamane und Dionysos, sondern auch als Galionsfigur einer Bewegung, in der Hedonismus und politische Rebellion eine Weile konvergierten, bevor der Traum vermarktet wurde. Pfitzinger diskutiert das Protest-Potenzial der Doors, ortet sie im Koordinatenkreuz von Dylan und den Stones und weigert sich, den Freigeist der wilden Jahre im Nachhinein zu verunglimpfen. 3,0 „JIM MORRISON“ (dtv, ca. 17Mark) von Ingeborg Schober erscheint in der Reihe „dtv Portrait“ und ist didaktisch angelegt: Fußnoten, Querverweise, Zeittafeln, Abbildungen und Register sind farbig und – auch in Auszügen – bestens geeignet als Lehrmaterial für die gymnasiale Oberstufe.3,0

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