Drucksachen von Wolfgang Doebeling

Elvis und kein Ende. Mehr als 500 Bücher wurden über den King bereits verfaßt, und man sollte annehmen, damit sei die wichtigste musikalische Figur dieses Jahrhunderts auch erfaßt Jeder denkbare Blickwinkel wurde bemüht: Elvis wurde vergöttert und verteufelt, mystifiziert und entmystifiziert, von Greil Marcus zu Lebzeiten aufs höchste Podest gehoben und von Albert Goldman postum angepißt Fast 20 Jahre nach Presleys Ableben meldet sich jetzt Gene Smith zu Wort, ein Vetter des Religionsstifters, der ihn von klein auf kannte, mit ihm Seite an Seite am Fließband einer Munitionsfabrik malochte, ihn schließlich im Cadillac chauffieren durfte – und sogar in einer Cameo-Rolle in „Jailhouse Rock“ auftaucht Smith war nah dran am King, doch geizt er mit intimen Details und verlegt sich auf manchmal allzu plumpes Innuendo, wohl weil ihm seine Loyalität dem verklärten Cousin gegenüber ausgerechnet hier Zurückhaltung abverlangt. „ELVIS‘ MAN FRIDAY“ (Light Of Day, 180 Seiten, ca. 30 Mark) ist dennoch episodenweise aufschlußreich, etwa wenn Presley sich über den Terminus Rockabilly ausläßt, den er anfangs ablehnte, weil er fand, er habe White-Trash-Obertöne. Leider schrieb Smith das Buch ohne die Hilfe eines Ghostwriters, der ihm so manchen verunglückten Satz hätte hinbiegen können. Inhalt: 3,0 , Stil:1,0

Inhaltlich weitaus substantieller und brillant geschrieben ist „LAST TRAIN TO MEMPHIS – THE RISE OF ELVIS PRESLEY“ (Backbay, 560 Seiten, ca. 35 Mark) von Peter Guralnick, eines der wichtigsten Bücher über den König des Rock’n’Roll, das jetzt auch als Paperback vorliegt. Guralnicks Memphis ist nicht so juicy wie das von Stanley Booth, nicht so verlottert und verkommen, dafür widersprüchlicher und wundersamer, zum Teil, weil sich Guralnick auf die Fifties beschränkt, zum anderen, weil er die Stadt als Bühne beschreibt für den jungen Presley und Amerika als reife Frucht, die ihm in den Schoß fiel. „Elvis Steps frotn the pages, you can feel him breathe“, urteilte Bob Dylan über diese großartige Biographie, deren zweiter Teil in Arbeit ist. 5,0

Rechtzeitig zu Frank Sinatras 80. Geburtstag erschien im letzten Jahr

„SINATRA! THE SONG IS YOU“

von Will Friedwald, das in deutscher Übersetzung nur wenig von seinem Glanz verliert: „FRANK SINATRA – EIN MANN UND SEI-NE MUSIK“ (Hannibal, 400 Seiten, ca. 50 Mark). Friedwald ist kein Hobby-Biograph, sondern Musikkritiker, was immerhin bedeutet, daß der womanizer Sinatra zurücktritt hinter den Vokalstilisten, der politische Reaktionär und mafiose Intrigant hinter den charismatischen Entertainer. Hier kommen Musiker zu Wort und Arrangeure, Songs werden analysiert und Sinatras souveräner Drahtseilakt zwischen Jazz, Pop und Kitsch. Erstaunlich, wie wenig Frankie-Boy oft zu sagen hatte, wenn es etwa um die Songauswahl für Platten und Konzerte ging. Faszinierend, welche Rolle dem Kräftemessen zwischen Orchester-Strategen zukam, etwa dem zwischen Tommy „Swing“ Dorsey und Axel Stordahl, dem Mann fürs Balladeske. Das selbst-glorifizierende „I dit it my way“ von Ol´ Blue Eyes bekommt nach der Lektüre ein dickes Fragezeichen, doch dann legt man „In The Wee Small Hours Of The Morning“ auf, das vielleicht erste Konzept-Album überhaupt und sicher eines der besten, und diese unvergleichliche Stimme wischt alle berechtigten Zweifel sofort wieder hinweg. 4,0

„CLASSIC ROCK“ von Gary Cee (Metro, 280 Seiten, ca. 40 Mark) ist eine süperb und großformatig bebilderte, literarisch jedoch vollkommen oberflächliche Ikonographie des Rock-Zeitalters, die an einigen Stellen stimmig ist (etwa bei Southern California), an anderen aber bedauerlich lückenhaft (Folk Rock, British Invasion) – und die in einem Kapitel kulminiert, das der Autor „The Magnificent Seven“ nennt. Für Mr. Cee sind das The Beatles, The Rolling Stones, The Who, Jimi Hendrix, The Doors, Pink Floyd und Led Zeppelin. Oh, shit Das tut weh. 2,0

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