DVD von Arne Willander & Birgit Fuß
Späte Einsichten – Das Leben der Baez in einer umfassenden Dokumentation — kommentiert von Dylan, Earle, Crosby und anderen.
Joan Baez 4,0 How Sweet The Sound
Sie war kaum volljährig, da galt Joan Baez schon als „Queen of Folk“. Wie sehr der frühe Ruhm ihr zu schaffen machte, sieht man nicht nur an ihrem fast versteinerten Gesicht bei einem Auftritt 1958 und beim „Newport Folk Festival“ ein Jahr später. Sie erzählt auch offenherzig von Panikattacken und Brechreiz. Dass Baez trotz kaum nachlassendem Lampenfieber 50 Jahre lang immer wieder auf die Bühne ging, liegt in ihrer Natur: Schon als Teenager leistete sie Widerstand, suchte Herausforderungen. Das gilt freilich auch für die Männer, mit denen sie sich umgab. Ihre Freundschaft mit Martin Luther King wird in diesem 90-minütigen Film ebenso dokumentiert wie die Verbindung zu Bob Dylan. Der erklärte sich sogar bereit, ausführlich Auskunft zu erteilen – sein und Baez‘ späte Einsichten gehören zu den rührendsten Momenten. Er entschuldigt sich fast dafür, dass sein Erfolg ihren bald überschattete, sie weiß inzwischen, dass er nicht zum Aktivisten taugte, so gern sie ihn eingespannt hätte. Dazwischen singen beide lächelnd „It Ain’t Me Babe“.
Ob ehemaliger Geliebter oder Ex-Mann, Vaclav Havel oder Jesse Jackson, Musiker oder Songschreiber-Kollegen-. Alle lieben Joan Baez. Steve Earle rutscht wie ein verlegener Teenager auf seinem Stuhl hin und her, als Baez ihm Komplimente für seine Lieder macht, David Crosby und Roger McGuinn verehren ihren Stursinn. Es wäre natürlich leicht, sich lustig zu machen über eine Frau, die sich selbst als „Mensch, Pazifistin, Folk-Sängerin“ sieht, „in dieser Reihenfolge“. Ob Vietnam, Chile oder Bosnien: Baez ist vor Ort, singt mit ihrer Engelsstimme, klampft, lauscht, umarmt. Und doch zerstört dieser Film das Bild von der selbstgerechten Kämpferin und zeigt eine Frau, die mit sich selbst so kritisch ins Gericht geht wie mit anderen. Und die ein untrügliches Gespür hat für großartige Songs. (proper/razor & tie)
Tom Petty 3,0 The Live Anthology
Nur in dem Luxus-Karton der „Live Anthology“ erhältlich sind zwei DVDs, die dem reich dokumentierten Schaffen von Tom Petty und seinen Heartbreakers weitere Anichten hinzufügt. Martyn Atkins‘ Film „400 Days“ beginnt 1994 mit den Aufnahmen zu „Wildflowers“, ohne zur Erklärung des Meisterwerks beizutragen, und zeigt dann die üblichen Bilder von der Tournee, aus dem Off von Petty lakonisch kommentiert. Höhepunkte sind Eindrücke von dem Auftritt in der Hollywood Bowl. Weil Tom Petty ohnehin niemals private Einblicke preisgibt, erzählt die Busfahrerin, wie nett er ist.
Der Konzert-Mitschnitt aus dem Civic Auditorium vom 31.12.1978 zeigt die Heartbreakers nach ihren ersten beiden Alben: „Fooled Again“, „You’re Gonna Get It“, „American Girl“, „Refugee“, „Too Much Ain’t Enough“. So zählte man die Byrds-Adepten in England zur „New Wave“. Schon lustig. (UNIVERSAL)
Wilie Nelson & Ray Charles 3,5 An Intimate Performance
Eine seltene Begegnung bei einer Fernsehshow von Wilie Nelson 1985: im Vorspann knarzt „On The Road Again“, Willie Nelson gibt vollkommen tiefenentspannt den Gastgeber, das Publikum sitzt an kleinen Tischen, Willie erzählt mit Pokermiene einen Witz: „Gestern Nacht besuchte ich Ray auf seinem Zimmer. Wir spielten Schach.“ Pause, Gelächter. „He won.“ Pause, Gelächter. „Beim nächsten Mal schalten wir das Licht an.“ Am kräftigsten lacht Ray Charles, der an einer elektrischen Orgel Platz genommen hat: „I love you!“ Nelson knödelt sich durch Evergreens, Charles fällt mit seinem charkteristischen Grunzen und Selbstanfeuerungsrufen ein, dazwischen Schnipsel von den Proben. Auf der kleinen Orgel spielt Charles improvisierte Jazz-Soli. Goodold homeboys aus Texas erinnern sich alsdann an den jugendlichen Willie. Crazy. (in-akustik>
Jerry Lee Lewis 3,0 The Killer In Concert
Ubers „Midage“ sang Jerry Lee Lewis Mitte der 80er Jahre, rüstig und streng, das Publikum immer wieder zum Rock’n’Roll animierend. Der lange Verfemte brachte neben „Whole Lotta Shakin‘ Going On“, „Great Balls Of Fire“ und „Tutti Frutti“ delikaterweise auch „Sweet Little Sixteen“ (die Cousine, die er einst geheiratet hatte, war allerdings 13) und gemächliche Standards wie „You Win Again“, entdeckte sich überhaupt als Country-Troubadouram Piano neu. Aber natürlich brach der alte Schwerenöter immer wieder hervor, wurden die Ansagen schlüpfrig, der Rapport mit dem Auditorium in breitestem Südstaaten-Slang ruppig und anzüglich. Stoisch schaukelte Jerry Lee Lewis dieses Konzert nach Hause, begleitet von einer Band aus Session-Recken, die schon alles gespielt haben. Heute, da Lewis – hoffentlich – 75 Jahre alt wird, ein historisches Dokument. (IN-AKUSTIK)