Eric Andersen – Memory Of The Future

Damals, in der kopflastigen Zeit des Protest-Folk, galt Eric Andersen als Schöngebt Während Bob Dylan zum Zwecke der Sozialkritik Wortungeheuer schuf und spitze Pfeile mit verrätselten Botschaften nach allen Richtungen abschoß, während Phil Ochs Roß und Reiter der kapitalistischen Kriegstreiberei nannte und auch keinen Millimeter zurückwich, nachdem seinen Kollegen längst die Puste ausgegangen war, verbrämte Andersen seine durchaus gesellschaftskritischen Songs mit poetischen Bildern, verpackte Frustration und Zorn in schöne Metaphern, hübsche Melodien und in den Schmelz seiner leicht tremolierenden Stimme. „Somebody said I was hung up on women and highways“, schrieb er 1965 in den Linernotes seiner Debüt-LP „Today b The Highway“, „and I can’t think of anything better to be hung up on.“ Eric Andersen, der Troubadour D’amour. Bis in die Untiefen seines 72er Meisterwerks JBlue River“.

Eric Andersen hatte das Herz stets auf dem rechten Fleck, also links, doch ließ er nie Fahnen wehen. Er sagte, was er zu sagen hatte, durch die Blume. Um so erstaunlicher, wie unmittelbar und unzweideutig er heute moralische Empörung auf „Memory Of The Future“, seinem ersten Soloalbum seit zehn Jahren, ventiliert. Rechtsradikale Umtriebe sind das Thema in „Rain Falls Down In Amsterdam“, ein Antifa-Song der überdeutlichen Art. Jews better draw your curtains/ bu better lock your doors up tight“, rät Eric, „they’re snarling up in Rostock/ In the beer hall-belly nights.“ Kalte, ohnmächtige Wut, jedem denkenden Menschen in gruseliger Erinnerung. Doch dann überzieht er: „The Fourth Reich’s coming, baby“ und „Kristall Nacht is back in town“. Hypertrophien, die schaden, weil sie zum Abwinken verleiten. „The Skinheads do their dirtywork for the cloak and dagger pawns“, diagnostiziert Andersen und ballt die Faust: „So keep your filthy swastikas and shove your iron cross.“ Nicht einmal Bruce Cockburn würde so gewaltig mit dem Worthammer zuschlagen. Ein wunder Punkt offenbar bei Andersen, der mittlerweile in Norwegen lebt, im Land seiner Vorväter, mit Frau und Kindern.

Repräsentativ für „Memory“ ist dieser Song nicht Anderswo geht es um Einsamkeit und Liebe auf den ersten Blick, um Todeserfahrung und Freuden des Alltags. In „Chinatown“, einem cinematographisch angelegten Dramolett, stoßen wir auf einen minderjährigen Killer, kreischende Sirenen, einen Anwalt, eine Frau, einen Quickie, das Leichenschauhaus. Die Tracks sind lang, nur einer nicht: „Sex With You“. So isses halt.

Andersen hat etliche Jahre gebraucht für diese phasenweise sehr eindringliche, musikalisch dem gepflegten Folk-Rock verpflichtete LP, hat zur Gitarre Tapes besungen und diese dann an befreundete Musiker verschickt: Dylan-Sidekkk Tony Garniet; Richard Thompson, Garth Hudson und Rick Danko von The Band, die Heartbreakers Benmont Tench und Howie Epstein. Jeder leistete seinen Beitrag, bespielte freie Spuren, und retournierte die Bänder an den Künstler, der dann (u.a. mithOfe von Epstein) daraus ein bemerkenswert homogenes Ganzes mixte. Ein zeitintensives Unterfangen, das nicht zulasten der Intensität ging. Ein kleines Wunder. 3,5

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