GAUTSCH :: V2

Der Typ sieht jetzt nicht ganz so cool aus. Aber über Pop reden legitimiert auch, Äußerlichkeiten zu erörtern. Dann wollen wir das mal tun. Pferdeschwanz und H&M kombiniert mit Second Hand. Einer dieser sogenannten Slacker. Er nimmt sich alles, was er in seinem Jugendzimmer so finden konnte: wundervoll kranke LPs vom Flohmarkt, Hörspiele von und Ideen für: Europa. Das wird dann zusammengerührt.

Gautsch ist Mitte 20. Das beste an ihm ist, das seine Referenzen nicht eitel zusammengeklaubte Behauptungen sind (etwa vom Schlage „B-Movies, die frühen Bee Gees, Easy Rider, soundsolche Comics, die und die Gameshows der Frühsiebziger“), die langweilige Menschen ja immer gern anhäufen, um Weitblick und einen Stand über den Dingen zu suggerieren. Nein, Herr Gautsch blättert mal einfach so eine ganz normale 80er-Jahre-Sozialisation auf. Das ist uneitel. Und das poppt Nun gibt es schon Menschen, die den jungen Mann aus Malente (Schleswig-Holstein) den „deutschen Beck“ nennen. Der sitzt natürlich, der Vergleich. Aber Beck hat ja deutsche Ahnen, also was soll das. Gautsch aber, der also dort aufwuchs, wo sich die Nationalmannschaft seit jeher auf die WM vorbereitet, bastelt natürlich genauso wie der andere deutsche Beck.

Und manche Stücke sind natürlich einfach nur collagierter Quatsch. Aber dann gibt es auch regelrechte Hits. Das „Ravemädchen“ oder „König des Pop“. Es reimt sich, und Herr Gautsch frißt es. Und dann scheißt er drauf, auf Wortfamilien und Sinnabsätze. Da heißt es: „Keiner poppt wie ich.“ Diese Platte möchte gar nicht modern sein. Und schießt sich so nebenbei ins Zeitlose. Sie gibt Auskunft über die subjektive Wahrnehmung eines 20irgendwas, und das mittels tollblödem Gesingrappe, Querflöten, Gitarren, Scratches, Keyboards und Simpel-Drum-Maschine (auch vom Flohmarkt offenbar), und Herr Gautsch macht es gründlich. Er negiert nicht mal Benni Beimer und schon gar nicht Klaus Lage, denn die gehörten ja nun mal dazu, bei aller Liebe, allem Glamour, der den Achtzigern nachträglich aufgehalst wird. Und so sampelt Gautsch tatsächlich Klaus Lage! „Du wolltest dir bloß den Abend vertreiben.“ Wer wollte das nicht. Lage etwas langsamer, jault seine Zeile, und Gautsch fallt ein, respektvoll, aber eben auch cool, also das Gegenteil vom Vorbild. Das ist schon sehr souverän.

Das ist auch böse, zum Teil: „Ich hab ’ne Überdosis“ klaut Gautsch. Und läßt das „Glück“ einfach weg, dafür die Gitarren schrubben, überhaupt nicht ironisch, denn nichts ist ja nerviger als pausenlose Ironie, die eigentlich nichts weiter ist als Orientierungslosigkeit. Was ist richtig, was ist falsch? Diese Platte ist richtig falsch. Sie ist richtig gut, ein Hörspiel ohne Grenzen.

Der Fischmob-5-Sterne-Schule, der Herr Gautsch zuzuordnen ist, verdankt die Platte auch etwas anstrengende, partyalarmige Klirrgeräusche und unnötige Quatschereien über Trinken und sogenannte Drogen. Aber sonst ist Herr Gautsch zweifellos der König des Pop. Heute Malente, morgen der Rest der Welt Oder wenigstens des Bundeslandes.

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