GLOBAL VILLAGE :: von Klein-Josch-Müllrich
Wir sitzen vor unserem Lieblingscafé am Boulevard Paris, der Wind trägt eine kühle Brise von Algeciras herüber, der The‘ Nana steht duftend auf dem Tischdien, vom Nebentisch weht uns der Rauch der Wasserpfeife die Wohlgerüche des Rif unter die Nasen, wir lesen in der „Süddeutschen“, daß das Wetter in Deutschland beschissen ist, es könnte also insgesamt ein hervorragender Tag sein, wäre nicht die Hälfte der erwarteten monatlichen CDs im marokkanischen Zoll hängengeblieben. Abdessalam am Nebentisch meine „Wer nicht tanzen kann, sagt: „Der Boden ist uneben!“
Den globalen Tanzboden betreten als erste BOUKMAN EKSPERYANS aus Haiti: „Revolisyon“ (Tropical Music/ BMG/Aris) nennen die Musiker ihr Werk der Einfachheit halber. Musik, frisch aufgetaucht aus dem Bermudadreieck zwischen den großen Plattenfinnen dieser Welt. Karibik der absolut anderen Art. Wer sich auf der Nachbarinsel Jamaika die grauen Zellen noch nicht ganz zugeräuchert hat, sollte bei der musikalischen Weiterreise unbedingt einen akustischen Stop in Haiti einlegen. In Port au Prince wird es selbst dem finstersten Zombie noch fröhlich in’s Knie fahren: Boukman Eksperyans grooven, bis der Voodoo-Heiler kommt. Die seit langem wichtigste Flaschenpost aus der Karibik. 4,5 Gamelan-Musik ist, obwohl auch wir sie privat sehr schätzen, bisher immer von sehr geteilter Publikumsmeinung begleitet Konservative Gemüter furchten ihre verheerende Wirkung als ultimativer Partycrasher, mit der man zu später Stunde selbst die hartnäckigsten Gäste noch aus dem Haus kriegt Ansonsten beschränkt sich ihre Wirkung auf zumeist sehr private, akademische oder folkloristische Kreise. Der Durchbruch auf dem globalen Dance-Floor läßt unter diesen Umständen natürlich auf sich warten«. Doch damit könnte jetzt tasächlich Schluß sein, denn wir vernehmen auf dem Album „Metamorfosa“ (Mariposa) erste, bisher unerhörte und erstaunliche Signale vom anderen Ende der Welt: Den indonesischen Gamelan-Jazz-All-Stars Earth Music mit ihrem ungewöhnlichen und überaus exotischen Opus ist die ultimative Rock’n Rollifizierung der Gamelan-Musik geglückt. 3,5
Nächste Nachricht: HUBERT VON GOISERN hat die Berge gewechselt und war beim Dalai Lama sowie bei der Gorillaforscherin Jane Godall, ebenfalls irgendwo in den grünen Bergen Afrikas. Ob die beiden Alben „Tibet/Inexil“ und „Afrika/Gombe“ (Lawine/ BMG) den Auftakt einer neuen Reihe „Hubert besucht die Guten dieser Welt“ sein soll, wie ungezogene Stimmen behaupten, möchten wir an dieser Stelle dahingestellt sein lassen. Time will tell, jedenfalls hat er sich mehrere Jahre vor Ort mit den Objekten seines Interesses auseinandergesetzt. Wir schätzen den symphatischen Hubert und freuen uns, daß er zu neuen Ufern aufgebrochen ist. Müllrich, Josch und Klein drücken die Daumen. Und Reinhören in die beiden Alben empfehlen wir natürlich wärmstens. Nicht nur den Fans von Hubert von Goisern.
3,0 („Tibet/Inexil“) und 4,0 {„Afrika/Gombe“)
In gegensätzlicher Richtung als Hubert von Goisern, nämlich „back to the roots“ zieht es LUIS DELGADO. „El Sueno De AlZaqqaq“ (Int/SMD) nennt sich sein neues Album. Als polyglotte Kosmopoliten erkennen wir in dem Titel die Träume eines gewissen Herrn AI Zaqqaq, der lebte vor langer, langer Zeit in einem wunderwunderschönen Schloß im Andalusischen und hatte einen Traum. Oder so. Story relativ akademisch und langweilig, Gottseibeiuns reißt es die Musik total wieder raus. Und daraufkommt es an. Music talks, bullshit walks. Mit Professor Delgado zurück an die Wurzeln der spanisch-andalusischen Musik. Hört sich trocken an, ist es aber nicht. Olé! Empfehlenswert. 3,0
Zum Schluß unserer heutigen Zeilen möchten wir die Aufmerksamkeit des geneigten Publikums auf eine weitere schöne Arbeit des Frankfurter Labels Network richten, die uns in der Vergangenheit immer wieder mit sorgfältigen und liebevollen Anthologien beglücken konnten. Diesmal hat es posthum den pakistanischen König des Qawwali-Gesangs, Nusrat Fateh Ali Khan, erwischt. Mit der „Hommage“ (Network/2001) wird dem Meister ein Denkmal gesetzt, an dem zahllose Künstler mitgewirkt haben. 4,0