Greil Marcus :: Über Van Morrison

Geist des Zufalls

Mit dem Schreiben über Rockmusik ist es eine seltsame Sache, seit es dieses Schreiben gibt. Manche schreiben über das, was vermeintlich passiert ist, woran sich die Künstler, ihre Freunde, Wegbegleiter, Dealer, Groupies, Zimmervermieter erinnern können. Andere schreiben über die Platten, die Songs, die Musiker, die Umstände der Produktion, das Geld, den Erfolg. Manche fragen die Künstler selbst, solange sie noch leben. Die anspruchsvollste Form ist der Essay: Er setzt voraus, dass der Autor zu dem, was er hört, ein paar Gedanken hat und die auch aufschreiben kann. Greil Marcus ist der Großmeister dieser Form: Er denkt seit mehr als vier Jahrzehnten so über Rock’n’Roll nach, wie man es früher nur über Philosophie und Literatur getan hat.

In „When That Rough God Goes Riding“ lässt sich der Gelehrte auf die Mystik und das erfüllte Schweigen von Van Morrison ein. Marcus bewundert – wie jeder Mensch, der Musik liebt – „Astral Weeks“ und setzt das Werk in Beziehung zu den Olympischen Spielen 1968, zu den erhobenen Fäusten der schwarzen Sportler, dem Jahrhundertsprung von Bob Beamon: „Meinem Geschichtsverständnis nach wäre Bob Beamon der Sprung nicht gelungen, wenn an jenem Tag in Mexico City anderes Wetter geherrscht hätte, wenn er an jenem Morgen einen Anruf von seiner Frau bekommen hätte (…) oder wenn der Aufmacher in der Zeitung ein anderer gewesen wäre. Dasselbe gilt auch für den Tag, an dem der Produzent Lewis Merenstein Van Morrison in ein Studio mit ein paar New Yorker Jazz-Musikern brachte.“ Diese Prämisse muss man akzeptieren. Dann kann man Marcus‘ hermeneutischen Höhenflügen über „Baby Please Don’t Go“ und „It’s All Over Now, Baby Blue“, „Caravan“ und „Listen To The Lion“ staunend folgen. Van Morrison hat hier nichts zu sagen – aber er kann uns „Astral Weeks“ natürlich am wenigsten erklären.

Man wäre halt einfach sehr gern dabei gewesen, als Martin Scorsese „1978, direkt nach der ersten Vorführung seines Films, The Last Waltz‘ auf dem Boden seines Wohnzimmers in den Hügeln von Hollywood sitzend“ sagte: „Die ersten 15 Minuten von, Taxi Driver‘ beruhen auf, Astral Weeks'“- während die Platte lief und gerade „Madame George“ anfing. (Kiepenheuer & Witsch, 8,99 Euro)

von Phil Sutcliffe

Den Angus Young auf dem Titel kann man mit einem Stups zum Rotieren bringen, und auch sonst ist vieles in Bewegung in der „ultimativen Bildbiografie“. Die Bühnenfotos, Tourplakate und Tickets sorgen für ein rundes Porträt dieser Band, die unverdrossen immer weiter stapfte, egal was sich ihr in den Weg stellte. Veränderungen? Ein paar Falten, immer noch mehr Zuschauer, ansonsten nur diese eine große: der Verlust von Bon Scott. Der Titel täuscht übrigens ein wenig: Es gibt nicht nur großformatige Bilder, sondern auch sehr viele Erinnerungen aller möglichen AC/DC-Assoziierten. (Edel Rockbuch, 24,95 Euro)

von Jörn Morisse mit Oliver Koch

„Interviews mit Musikern über das Älterwerden“ – damit thematisiert Morisse fast ein Tabu. Der Mythos vom ewig jugendlichen Rockstar wird Seite für Seite zerstört – auf unterhaltsame, nicht immer sehr tiefgründige Weise. Von Conor Oberst über Edwyn Collins bis zu Vashti Bunyan werden etliche Generationen befragt, aber die vielleicht wahrste Wahrheit hat Alphaville-Sänger Marian Gold zu bieten, der Euphemismen nicht schätzt: „Als alternde Nutte ist es schon ganz schön scheiße.“ (Edel, 17,95 Euro)

von Paul Miles

Es könnte vielleicht lustig sein, wenn Bono etwas über „Fetische und Fantasien“ erzählen würde oder Brian Molko über „Knutschen und Streicheln“. Aber hier palavern „Rockstars“ wie Acey Slade, Doug Robb und Toby Rand. Wer? Genau. Die prominentesten Ratgeber sind Bruce Kulick, Danko Jones und Lemmy. Der weiß über den idealen Ort fürs erste Date: „Ein Restaurant ist nett.“ Es gibt aber auch viel unappetitlichen – und leider selten lustigen – Stumpfsinn. (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 14,95 Euro)

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