Jackie Leven – The Argyll Cycle Vol. 1
Jackie Leven ist ein feiner Kerl und ein Fremder in dieser Welt, aus der er sich periodisch zurückziehen muß, um seinen Kopf freizubekommen von der verachteten Existenz, die andere Leben nennen. Dann läßt er die Wildheit der Natur auf sich wirken, dort oben im schönen Argyll, und die Schlichtheit der Gemüter, mit denen er sich umgibt. Das hilft Leven, sich seines Wertgefüges zu vergewissern, ohne ständig auf der Hut sein zu müssen, von der Realität desavouiert zu werden. Zyniker haben es leicht mit ihm, allzu leicht, gehört er doch zu jenen Menschen, die sich von einem Sonnenuntergang aufwühlen lassen, denselben auf einer Postkarte aber als Kitsch schmähen. Jackie liebt das Echte, Unverfälschte, Urige, und er sehnt sich zurück in die Zeit, als der Mensch noch geformt wurde von der Großzügigkeit und Grausamkeit der Natur, als es eines Kriegerherzes bedurfte, um den Gewalten ein wenig Würde abzutrotzen, als Mannesmut nicht beim Bungee-Jumping gemessen wurde oder beim Penis-Piercing. Nein, Zyniker könnten ihn nicht verstehen.
Die Songs des Argyll-Zyklus entstanden in den Jahren 1985 bis 1990 an der schottischen Westküste, wo Leven von inneren und äußeren Verletzungen genas. „As I walked away from our time“, singt er, „I feared for your sanity and was afraid for mine.“ Die Zweifel hätte er sich schenken können, denn wenn etwas deutlich wird aus Gesprächen mit ihm und aus seinen Songs, dann dies: Wen der Lärm einer Großstadt in tiefe Depression stürzen kann, der findet Heilung im Säuseln des Windes und im Plätschern eines Baches. Jackie Leven gehört zu den Glücklichen, die Gewißheit finden und Trost, wo nichts ist; er hat seinen Fluchtpunkt gefunden. Und längst auch seine eigene Art, Hangen und Bangen und Verlangen in Songs zu gießen voll heiligen Zorns ob der Dekadenz des Menschen, voller Achtung vor dem Guten, Reinen, Edlen.
A period of transition: Dem Donnerhall seiner Band Dolly By Doll und anderem zivilisatorischem Ungemach entflohen, verbrachte Leven mit Sinnsuche und Songschreiben. Zyniker haben es leicht mit diesen Songs. Prätentiös, sagen sie, seien die Verse, pompös die Musik. Gleich der erste Song, „Stranger On The Square“, klinge wie ein Dire Straits-Demo, und der Rest sei nicht weniger Verblasen, schwülstig, verschwiemelt. Doch wie erklären sie dann nur die dräuenden Sound-Strudel in „Grievin‘ At The Mish Nish“, wie die schlichte Demut von „Gylen Gylen“, wie das gravitätische Gefühl des Verlustes in „The Crazy Song“?
Nein, Zyniker verstehen Jackie Leven nicht.