James Blunt :: Some Kind Of Trouble

Standardkompositionen ohne vorgetäsuchte Bedeutsamkeit

Vor sechs Jahren wurde Captain James Blunt nicht nur Popstar – er brachte uns sogar das echte, wirkliche, handgemachte Lied zurück! So wollte es das Marketing, das Blunt zum echten Songwriter in einer Welt der Plastikmusik stilisierte. Allein wegen dieser schlimmen Verdrehung konnte man Blunts Musik nicht mögen.

Seither Superlative. Blunt gewinnt in Amerika, Blunt gewinnt in den Charts, Blunt gewinnt die Frauenherzen. Wie vor einigen Wochen bekannt wurde, hat Blunt damals im Kosovo sogar den dritten Weltkrieg verhindert, als er sich einem Befehl widersetzte und einen russischen Truppenverband nicht angriff.

Weil wir beleidigt waren und „You’re Beautiful“ einfach ein so schauderhaftes Lied war, haben wir vielleicht ein paar gute Momente auf Blunts zweitem Werk, „All The Lost Souls“ verpasst. Blunt hatte klassischen 70s-Pop evoziert, einige Arrangements waren hörenswert. Doch diese aktuelle Platte namens „Some Kind Of Trouble“ bestätigt jedes Vorurteil. Blunt verlegt sich weitestgehend auf weichgezeichnete Standardkompositionen und versucht nicht mal so etwas wie einen kompositorischen Kniff. Im Opener und ersten Hit, „Stay The Night“, sitzt der Protagonist im kalifornischen Auto und quatscht seine Mitfahrerin in den Beischlaf, die Akustischen schrängeln aufgeregt. Das folgende „Dangerous“ erinnert mit seinem Bass-Riff an den Hit des letzten Albums, „1973“, „No Tears“ würde auch als Jingle für Dallmayr Prodomo taugen. Immerhin: Das mit einer futuristischen Basslinie eingeleitete „So Far Gone“ hat so etwas wie ein relevantes Gefühl, und der Songwriter-Soul von „If Time Is All I Have“ gemahnt ein wenig an den sehnsuchtsvollen Überschwang von The Band (sic!).

Weil Blunt mit dieser Platte seinem Image als Schmusesänger entkommen will und weil „Some Kind Of Trouble“ in irgendeiner Weise das Lebensgefühl der frühen Achtziger einfangen soll, hört man in einigen Songs minimale Disco- und Wave-Elemente. Das erwähnte „Dangerous“ erinnert von Ferne an Michael Sembellos „Maniac“, die Chöre klingen fast wie im Vocoder. „Superstar“ hängt sich an die Retro-Future-Sound von Bands wie Phoenix, bei „These Are The Words“ lassen schnelle Geigenläufe und extrahohe Chorgesänge ein kleines bisschen Bee-Gees-Gefühl entstehen. Man könnte sagen: Es ist doch gut, dass Blunt etwas lebendiger wird und seine seichte Musik vom Ballast der vorgetäuschten Bedeutsamkeit befreit. Aber eine gute Platte ist „Some Kind Of Trouble“ dann immer noch nicht. (Warner) Jörn Schlüter

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