JAZZ :: von Klaus von Seckendorff

Eigentlich nur konsequent, daß nun auch John Scofields kultige Genossen beim „A Go Go“ auf dem Blue Note-Label gelandet sind, dessen Backkatalog voller Orgel-Trios aus den Sixties steckt Aber was MEDESKI, MARTIN & WOOD mit Hammond, Wurützer, Piano, Baß, (meist akustisch) und Schlagzeug anstellen, dürfte nicht nur bei Jimmy Smith, sondern auch bei seinen musikalischen Erben Kopfschütteln auslösen: schräge Sounds, seltsam brodelnde Grooves, unberechenbares Repertoire. Immerhin müßten sie zugestehen, daß John Medeski & Co. mächtig swingen und ganz straight im Sinne des R&B daherkommen können. Aber „Combustication“ ist nicht wie „Shackman“ eine Annäherung an die unzähligen Live-Konzerte von M, M & W. Diesmal wollten die drei alle Studio-Finessen nutzen und konsequent auf Atmosphäre und Klangdetails setzen (gelegentlich ergänzt um hippe Soundscapes von DJ Logic). Spacy und bodenständig, psychedelisch-schräge und gediegen: Die drei Musketiere des Hammond-Grunge-Funk haben erneut einen definitiv nicht mainstream- und doch partytauglichen Coup gelandet. 4,0

Havanna lebt: Fast mag man’s im Winter des Kubaboom-Jahres nicht mehr hören, aber TONY MARTINEZ hat gute Gründe, sein Debüt „La Habana Vive“ (Blue Jacket/Exil) zu nennen, obwohl auch in der Schweiz aufgenommen wurde. Die Musiker um den Saxophonisten (und Keyboarder) sind hand verlesen kubanisch: unter anderen Trompeter Julio Padron, Percussionistjulio Barreto und als Gast und zweiter Pianist neben Cesar Correa kein Geringerer als Gonzalo Rubalcaba. An dessen Son & Salsa-Fusion aus den Achtzigern erinnern manche der komplexen Martinez-Kompositionen. Während Rubalcaba längst zu reduzieren weiß, bekennt sich Martinez zum Barock tendenziell überladener Rumba-Experimente – why not? 3,0

Der Tasten-Corea mit nur einem „r“ und Chick als Vorname hat sich vom bewährten Duo-Partner GARY BURTON zum Promi-Fünfer verfuhren lassen. Außerdem noch Vibraphon und Gitarre? Da verhindert nur abgeklärte Souveränität ein Kuddelmuddel, und von Pat Metheny kann man sie allemal erwarten. Als Fundament schließlich Roy Haynes (d) und Dave Holland (b)-wirklich schiefgehen konnte hier nichts. Auch die Songs von Corea, Metheny und dem als Komponist viel zu bescheidenen Gary tragen zum lockeren Gelingen der Modern-Jazz-Melange bei, die allerdings eines nur bedingt aufkommen läßt: Spannung. Man war sich eben fast schon zu einig bei „Like Minds“ (Concord/Edel). 3,5

Als wäre nur ein musikalischer Kopf zugange, spielen sich FRED HERSCH & BILL FRISELL die Bälle zu beim Umgang mit „Songs We Know“ (Nonesuch). Die reichen von „It Might As Well Be Spring“ bis zu „What is This Thing Called Love“, und wer jetzt ein braves Evergreen-Potpourri erwartet, liegt gründlich falsch. Piano und Gitarre scheuen kein Risiko, umso mehr aber alle Jazz-Klischees. Trotz unterschiedlicher Auffassungen ahnen beide voraus, wohin der Partner ab nächstes marschiert, um ihm vergnügt grinsend auf unerwarteten Seitenpfaden stets nahe zu bleiben. Eine aufregende Sternstunde in Sachen Improvisation. 4,0

Offenkundigen Spaß mit Selbstgeschriebenem hatte das Quartett des Geigers DIDIER LOCK WOOD. Unprätentiöse, tendenziell melancholische Kurzgeschichten werden „Round About Silence“ (Dreyfus/Edel) erzählt, laid back, auch mal ein wenig belanglos, aber alles in allem angenehm anzuhören. 3,5

Hat das Akkordeon bei Lockwood nur zwei kurze Gastauftritte, so spielt es beim „French Touch“ des Label-Kollegen RICHARD GALLIANO die klare Hauptrolle. Auch der hält sich konsequent an das, was ihm Spaß macht: ein wenig Cajun, rasant Musette-Verwandtes natürlich, aber auch einen Songs des Brasilianers Hermeto Pascal oder von Lucio Dada. Selbst Tango und Bossa schauen im „französischen“ Gewand überzeugend aus – kein Wunder, wenn ein Vollblutmusiker mit Gleichgesinnten zusammenspielt. 4,5

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