Joni Mitchell – The Geffen Recordings :: UMIS

Am liebsten wäre Joni Mitchell während der Me-Decade der 80er Jahre wohl in einen sehr langen Winterschlaf gegangen. Rückblickend war das 1982 veröffentlichte „Wild Things Run Fast“ nostalgische Bilanz und Vorahnung. Wenn sie je so etwas wie ein Rock N Roll-Album aufnahm, dann war es das. Nicht nur mit dem Titelsong, auch mit den Erinnerungen an Elvis – der Cover-Version von Leiber/Stollers „(You’re So Square) Baby, I Don’t Care“ – oder an die Righteous Brothers von „Unchained Melody“ träumte sie sich in ihre Kindheit in tiefer kanadischer Provinz zurück. Zweifellos das waghalsigste Stück hier: ihre Vertonung des 13. Kapitels des 1. Korintherbriefes des Apostel Paulus, ein grandioses Stück Weltliteratur, bekannt auch als „Das Hohelied der Liebe“. Es ist bis heute eines ihrer Lieblingslieder geblieben, bekannte sie unlängst in einer Dokumentation über ihr Schaffen.

Wieso sie danach in eine Art schöpferischer midlife crisis schlitterte und meinte, den Gang der politischen Dinge kommentieren zu sollen, ist nie ganz klar geworden. Zunehmend von Selbstzweifeln zerfressen, schrieb sie viele Lieder für die nächsten beiden LPs immer und immer wieder um. Kulturkritische Betrachtungen wie „Fiction“ auf „Dog Eat Dog“ gerieten ihr dabei ungewohnt kopflastig, vieles dank der Präsenz von Thomas Dolby wiederum arg synthesizerlastig. Die Gabe, auf die Entwicklungen während der ReaganÄra und ihre sozialen wie seelischen Verwüstungen mit so satirischer Distanz zu reagieren wie ein Randy Newman, war ihr schlicht nicht gegeben.

„Chalk Marks In A Rainstorm“ ist so ziemlich die enttäuschendste Songkollektion in ihrem ganzen Werk. Ein Dokument der Hilflosigkeit, bei dem ihr Liebster und Co-Produzent Larry Klein auch als Co-Autor nun wirklich keine sonderlich gute Figur machte. Dylan mochte angeblich den Synthie-Pop von „Dancin‘ Clown“. (Nur hatte dieser nicht entfernt die Klasse von Abbas „Dancing Queen“.) Höchst geschmäcklerisch geriet ihr gar die Deutung des Sons Of The Pioneers-Klassikers „Cool Water“.

Nach soviel Talsohle konnte es eigentlich nur noch bergauf gehen. Tatsächlich wurde „Night Ride Home“ eine dieser Platten, mit denen sich jemand als Künstler wiedererfand. Alte Ohrwurmqualitäten demonstrierte sie mit „Come In From The Cold“, und ein Song wie „Two Grey Rooms“ hätte sich auch auf „Court And Spark“ nicht schlecht gemacht. Wenn sie damals schon ihre Aufnahme von Dylans „It’s All Over Now Baby Blue“ für das Album freigegeben hätte, wäre das als schöne Zugabe zweifellos gewürdigt worden. So ist das Session-Outtake hier ein Bonus-Track, mit dem auch zwei andere Platten kommen. „Good Friends“, bloß ein Demo (wäre vermutlich der beste Song auf „Dog Eat Dog“ geworden, wenn fertig geschrieben und für Band arrangiert) wie auch das von „Two Grey Rooms“ auf „Wild Things…“, das erst neun Jahre später dann endgültig Gestalt angenommen hatte.

Wem’s bislang entgangen sein sollte: Letzteres Album von 1982 galt in der Audiophilen-Gemeinde immer als ein solches Wunderwerk an Wohlklang, dass es schon mehrfach auf Vinyl und CD remastered wiederveröffentlicht wurde. Die Hochbit-Überspielung von Suha Gur klingt noch besser als alle zuvor.

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