Kammerflimmer Kollektief – Cicadidae :: Staubgold

Dieses Album macht angreifbar. Von Schneekugeln mit durcheinander wirbelnden Traumbildern möchte man schreiben und dass überhaupt hinter den Spiegeln andere Wahrheiten warten, sobald die Musik ihre Fühler aufstellt. Aber es stimmt schon, dass man nicht so romantisch glotzen solle, und hier glotzt auch gar nichts romantisch zurück, auch wenn das Karlsruher Kamnierflimmer Kollektief auf „Cicadidae“, seinem dritten Album, in den versponnenen Titeln doch selbst eine Leimspur des Kitsch auslegt.

„Neumondinselhin“ nennen sich die teils knappminütigen Sound vignetten, oder „Sie tranken Regen“. Da poetelt noch die Sprache, was die Musik ganz süßstofSrei hinbekommt. Sphärisches. Und wer gern auf die Sonnenuntergangs-Instrumentals von Calexico hört, wird auch beim Kammerflimmer Kollektief in Stimmung kommen mit dem Seufzen der Slidegitarre, den Vibraphon-Tupfern und überhaupt dem fein aufeinander abgestimmten Orchester aus akustischem und elektronischem Instrumentarium. Minus den Mariachi-Bläsern natürlich, die nun wirklich kein Karlsruher Charakteristikum wären. Andererseits sind die Folk-Leichtherzigkeiten auf der Platte gar nicht landschaftlich lokalisierbar. Alles nicht recht zu greifen. Was jedoch eben nicht ein lavierendes Wischi-Waschi meint, sondern tatsächlich auf das fragile Organisationsprinzip der Musik verweist Es geht um Balancen. Schön ausformulierte Melodien reiben sich an Free-Jazz-geschulten Dekonstruktionen. Rhythmisch akzentuierte Minimal-Motive schlittern über digitales Knistern. Indierockbesinnlichkeit (ein Teil des Kollektiefs war einst bei den so elegischen wie leider überhörten Kissin Cousins aktiv) steht gegen die wache Flexibilität von Improvisatoren. Nie aber ist die Musik ein Streitraum. Und nie nur ein Eierkuchen-Ausgleich der notierten Positionen. Wfeil es wirklich um Balancen geht, fehlt es nicht an der dafür notwendigen Spannung. Die sorgt dafür, dass “ Cicadidae “ gar nicht – wie so viele andere der pluckernden Indietronic-Produktionen – in den Esoterik-Kitsch abgleiten kann.

Wie Wachträume darf man diese Musik hören. Nicht greifbar. Doch präzise. Eine behutsame Form von Klarheit.

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