Kino: Bad Boy Kummer  :: Regie: Miklos Gimes

Wie er später mal seinem Sohn diese Sache erklären wolle? „Dass ich ein schlimmer Junge war.“ Tom Kummer grinst verlegen. „A bad boy.“ Es schwingt eher Stolz als Selbstkritik in dieser Aussage mit, die das Porträt eines begnadeten Schwindlers eröffnet. Fast sieben Jahre lang hatte der Schweizer die Redaktionen vom „SZ-Magazin“, „Spiegel“ und „Tages-Anzeiger“ mit erfundenen Interviews genarrt. Und noch heute ist er sich keiner Schuld bewusst. Er sei eben Avantgarde gewesen. „Ich breche gerne die Regeln, wollte aber niemandem schaden.“

Das ist natürlich eine erschreckend naive Ausrede, aber bezeichnend für das Selbstverständnis vieler Betrüger. Und sie erinnert im Duktus an die pikierte Reaktion von Karl-Theodor zu Guttenberg. Schuld sind immer die anderen. Oder wie die vier Protagonisten in der Dokumentation „Die Hochstapler“ von Alexander Adolph durchblicken lassen: Die Leute wollen belogen werden. „Dass ich die Antworten von den Stars genau so bekommen habe“, kontert Kummer empört die Vorwürfe, „hat doch unmöglich jemand glauben können.“

In der Tat waren seine Interviews aus Hollywood, wo Informationen kontrolliert und Images kreiert werden, einfach unglaublich. Sharon Stone räsonierte über Kierkegaard, Mike Tyson sprach von Fassbinder und der „Intelligenz meines Körpers“. Im Kampf um Originalität und Schlagzeilen, Glamour, Geheimnisse und Geständnisse waren seine ebenso intelligenten wie intimen „Gespräche“ der „Stoff, auf den alle abgefahren sind“, wie Kummer sagt. Und man war als Journalist durchaus neidisch auf ihn. Fasziniert haben seine „Interviews“ aber eben nur, weil man sie für echt hielt. Als der Trick aufflog, verpuffte auch die Wirkung.

Insofern zieht sein Kunstanspruch nicht, er könne „Fiktion als Wahrheit verkaufen, wenn in Hollywood die Wirklichkeit verfremdet wird“. Kummer hat nicht nur Leser getäuscht, er hat auch Kollegen und Vertraute enttäuscht, was in dieser Dokumentation nun sehr deutlich wird.

Regisseur Gimes war in den 90er-Jahren stellvertretender Chefredakteur der Wochenendbeilage des „Tages-Anzeigers“. Er macht keinen Hehl daraus, dass sein Film auch ein persönliches Anliegen ist, er sich von Kummer eine Erklärung, sogar Entschuldigung erhofft. Der ist mit seiner mal schlitzohrigen, mal stoischen, immer selbstverliebten Art jedoch nicht zu fassen. Als ihm sein ehemaliger „Tempo“-Chef Markus Peichl vorwirft, sein Talent verschenkt zu haben, nickt er wie ein kleiner Junge. Später liest er aus seinen Interviews – berauscht von den eigenen Einfällen.

Es sei leicht gewesen, Kummer vom Film zu überzeugen, erzählt Gimes, er wolle nicht vergessen werden. Er begleitet ihn in Los Angeles zum Paddle-Tennis, wo er als Trainer arbeitet, und zu Freunden in seiner Berner Heimat. Am Ende bleibt eine widersprüchliche, ja gar schizophrene Persönlichkeit zurück. Oder wie ein alter Kumpel sagt: „Tom ist der ehrlichste Lügner.“

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