Mick Harvey :: Sketches From The Book Of The Dead
Ein sinistrer Totentanz des australischen Multiinstrumentalisten
Nach seiner Arbeit an PJ Harveys aufrüttelndem Geniestreich „Let England Shake“ zog er sich nach Australien zurück, um sein neues Soloalbum fertigzustellen. Keine Coverversionen diesmal, sondern extrem persönliche Songs, die vom unwiederbringlichen Verlust erzählen, von Tod, Kummer und stillem Eingedenken. Mick Harvey, ehemals Mitglied der Bad Seeds, erinnert auf „Sketches From The Book Of The Dead“ an verstorbene Weggefährten und Freunde, wobei er zugleich das Wesen der Trauer und des Abschiednehmens selbst reflektiert. Er fragt danach, was von jenen übrig bleibt, die von uns gegangen sind, wie das, was eigentlich der Vergangenheit angehört, die Gegenwart der Hinterbliebenen bestimmt. „There was nothing left to see there“, singt er im beklemmenden „Two Paintings“, „that gave me any sense of what once was, so I took your things back to the present tense.“ Dem ewigen Topos der Vergänglichkeit lassen sich immer noch neue Töne abgewinnen.
Die schlichte Instrumentierung der Kompositionen, die Harvey beinahe im Alleingang einspielte, verstärkt den Eindruck einer intimen, auf das Wesentliche konzentrierten Platte. Was zählt, ist das prägnante Storytelling, nicht die tränentreibende Hookline. Die Stimmung des Albums bleibt – dem Thema angemessen – durchweg düster, nachdenklich und schwermütig. Schon im Frühling mahnt es, bloß nicht den nächsten Herbst zu vergessen, Zeit des Welkens und Vergehens. Ein von Blues und Folk inspiriertes, skizzenhaftes Memento mori, das manchmal freilich lethargisch und monoton wirkt. Nur im letzten Stück, „Famous Last Words“, fordert Harvey einmal mürrisch rockend den Sensenmann zum Tanz auf. Und traurig klingt der Schlussakkord in Moll. (Mute) Alexander Müller