Paul Weller :: Catch-Flame!

Die Art, in der Paul Weller sich in britischen Journalen um Kopf und Kragen redet und auf die späten Tage noch zum Genie der aphoristischen Interview-Sottise wird, nötigt mindestens ebenso viel Respekt ab wie sein dritter Frühling, überraschend eingeläutet von „As Is Now“. Seine Wertschätzung von „music, clothes, girls and wanking“ ist ebenso einleuchtend wie die Identifizierung des iPod als „fridge with no beer in it“ oder verschiedener Gewinner des „Brits Lifetime Achievement Award“ als prätentiöse Nullinger, wichtigheimerische Schnösel und verachtenswerte Witzfiguren. Wellers „Binge“-Ausflüge mit wohlgesonnenen Journalisten, die seine während der Nacht gezischten Biere zählen, gehören fast schon zur Folklore der Musikpresse – umso erstaunlicher, als von dem misstrauischen und argwöhnischen Musiker früher kaum ein Bonmot zu bekommen war.

Doch jetzt, da Weller in die Phase der Reflexion über Mortalität und des Erwachsenwerdens seiner immerhin fünf Kinder eintritt, da er die Ewigkeitswerdung von The Jam und das milde Vergessenwerden von The Style Council noch bei bester Gesundheit erleben darf, Vater Weller noch immer die Geschäfte führt und der Gitarren-Techniker die Limousine vom Landsitz in die Stadt steuert, wo Paul schon wieder gefeierter Gast bei einem Konzert der Arctic Monkeys oder einer beliebigen von ihm gesegneten Band ist-jetzt lässt er kein Jahr mehr vergehen, ohne den frischen Ruhm noch einmal auszukosten – und zwar dort, wo er sich wohlsten fühlt. Bei ihm ist es nicht das Bett.

Wellers Auftritte im letzten Jahr waren womöglich ein wenig zu kraftmeierisch, zu selbstgewiss, denn neben zahllose Male gespielten Evergreens wie „Town Called Malice“, „That’s Entertainment“, „The Changingman“, „Peacock Suit“, „Wild Wood“ hatte er mit den neuen Stücken ebenfalls nur spitze Pfeile im Köcher: „Paper Smile“, „Come On/ Let’s Go“, „The Pebble And The Boy“. Und mit „Shout To The Top“ und „Long Hot Summer“ zwei große, hier kaum verfremdete Songs aus der Council-Periode. So hören wir ein Wellerrama vom 5. Dezember 2005, Alexandra Palace, London, 23 Songs auf einem Doppel-Album. Und allenfalls der Hang zum Gniedeln bei „Porcelain Gods/Walk On Gilded Splinters“ (zehn Minuten) und die überlange Version des anrührenden Jam-Klassikers „In The Crowd“ (leider mit Schlagzeug-Solo) sind in Zweifel zu ziehen. Während das abenteuerlich in Gitarren-Soli gedehnte, dennoch wunderbare „Foot Of The Mountain“ (acht Minuten) wie das schönste Stück der Welt klingt. „Just to catch a flame“ ist eine Phrase aus „You Do Something To Me“, doch Paul Weller tut hier viel mehr: Er zündet ein verdammtes Osterfeuer. „Catch-Flame!“ ist eine Weller-Volksausgabe, mit stellenweise hörbar singendem und grölendem Volk.

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