Robbie Robertson :: How To Become Clairvoyant
Beschwörende Retro-Songs und experimentelle Beliebigkeit
Robbie Robertson kommt weiter voran – in der Bewältigung seiner Vergangenheit. Hatte sich der Kanadier gleich auf zwei 90er-Jahre-Alben noch mit seinen indianischen Wurzeln beschäftigt, so ist er jetzt nach langer Pause immerhin in der Ära angekommen, die ihn einst mit The Band auf ewig in die Geschichtsbücher getragen hat. Noch einmal stehen auf „How To Become Clairvoyant“ mysteriöse Blues-Musiker an Weggabelungen rum („Straight Down The Line“), noch einmal leben alte Exzesse auf („He Don’t Live Here No More“), noch einmal wartet Robertson im Soul-Sumpf nahe New Orleans auf „The Right Mistake“. Der schönste dieser mit spitzer Gitarre und beschwörendem Gestus intonierten, aber auch eher keimfrei produzierten Retro-Songs ist „When The Night Was Young“. Da verdichtet Robertson mit dieser genuin feierlichen Wehmut noch einmal alle Träume und Ideale seiner Generation.
So weit, so gut. Doch dann macht es puff, und die Luft ist raus aus diesem Album. Wobei nur böse Menschen behaupten, es könne kein Zufall sein, dass genau an dieser Bruchstelle Eric Clapton seine Stimme erhebt. „Fear Of Falling“, einer von drei Songs, die er als Co-Autor beisteuert, gehört einfach auf ein Clapton-Werk. Doch auch vermeintlich interessante Kollaborateure wie Trent Reznor und Tom Morello machen das Instrumental „Madame X“ oder die fade Gitarristen-Ode „Axman“ nicht interessanter. „Tango For Django“ ist eher Soundtrackmaterial. So verliert sich Robbie Robertson zunehmend in experimenteller Beliebigkeit, statt einfach weiter seiner Vergangenheit zu vertrauen. Ein echter Hellseher hätte das vorausgeahnt. (429) Jörg Feyer