Robin Williamson – The Seed-At-Zero

Sie waren ein scheckiger, schlamperter Haufen. So haarig wie ungekämmt. Orgien in Farbe auf feuchtem Laub, Minne mit antiquarischen Tonquellen, Musik wie eine Nachtwanderung durch den Folk-Wald. The Incredible String Band nannten sich die vier Schotten und unglaublich waren sie, indeed. Das ist gut dreißig Jahre her. Die beiden hemmungslos hedonistischen Pärchen Mike & Rose und Robin & Liquorice verloren erst sich, dann uns und schließlich ihren Halt an der Welt. „Liquid Acrobat As Regards The Air“ heißt 1971 ihr Abschieds-Album, und so klingt es auch. Mit dem Rückzug der Hippies versumpften auch die Incredibles. Die sich dieser Tage wieder zusammenfinden.

Und Robin Williamson, der seither eh nicht auf der faulen Haut gelegen hat, überrascht mit einem neuen Solo-Werk auf einem Jazz-Label, dem zu Recht der Ruf anhängt, aufs Feinsinnigste new-agey und etepetete zu sein. Die gute Nachricht zuerst: „The Seed-At-Zero“ ist nur in Spuren onkelhaft und handwerklerisch. Den Kern macht eine Konzentration aus, die dem Hörer einiges abverlangt, ihn in Bann hält, ohne ihm viel Luft zu gönnen. Die nicht so prickelnde: Ganz frei von preziösem Gestalten sind die Arrangements nicht, die Produktion von Steve Lake gibt Williamsons Stimme wunderbar Raum und Präsenz, säubert indes sein ohnehin oft etwas gestelztes Saitenspiel über Gebühr von allem, was ihm Leben einhauchen könnte. Clean, fast klinisch und keimfrei klingt so, was doch von den Worten her vital und vibrierend, robust und resonant paradieren müsste. Kein Overspill, kein Schmutz, kein Krach.

Dieses Album ist indes kein New-Age-Nippes, ist zu wahr und zu nah an der Existenz, um stupiden Esoterikern gefallen zu können. Da ist Williamsons allzeit waches Stimmorgan vor, die schottische Bodenständigkeit seiner Vokal-Melodie, die Aufsässigkeit seines Akzents, und der mal mystische, mal kritische Realismus der meisten Songs. Tatsächlich sind es vor allem die Worte, die „The Seed-At-Zero“ zum Erlebnis machen, ihre Symbolik, ihre Kraft, ihr Charakter. Dabei ist das in den Songs durchstreifte Sinn-Panorama gewaltig, die Herkunft der darin enthaltenen Weisheiten so disparat wie die der Denker dahinter. Neben Williamsons eigener, nicht selten an uralte Mythen rührenden Bildsprache sind es primär die Poeme des walisischen Wort-Ästheten Dylan Thomas, die das Album adeln. „On no work of words now for three lean months in the bloody/ Belly of the rich year and the big purse of my body/ I bitterly take to task my poverty and craft.“ Spitzwegs „Armer Poet“, radikal entkitscht. Williamson phrasiert noch die grimmigsten Zeilen mit gewissem Stentor-Stolz, nie aber humorlos. Am Ende wendet er sich gar persönlich an den verehrten Lyriker, lässt ihn hochleben und teilt ihm sturztraurig mit, welch verzerrtes Thomas-Bild die Nachwelt am Busen nährt: „Your ghost pervades just like an old ex-boxer aged twenty-two/ Staged up like Falstaff or the wild welsh Rimbaud/ You’d laugh to see these monochromes they make of you.“

Im Herbst, wenn die Blätter fallen, die Kälte durch die Kleider kriecht und sich ein angenehmes Frostern über alles legt, wird diese Platte ein Freund Sein.

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