Roots von Jörg Feyer

In Nashville grassiert eine Seuche. Iir Name: Co-Writing. Mindestens 80 Prozent aller Songs gehen dort auf (mindestens) zwei Urheberinnen zurück, ganz so, als hätte man Angst vor dem Profil des einzelnen, als gewähre soziale Kontrolle die Garantie, daß die gerade aktuellen Konventionen eingehalten würden. Als könnte man aus jeder dünnen Idee einen dicken Song zaubern auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

So entstehen dann Country-Debüts, die in ihrer absoluten Berechenbarkeit betrüblich-beruhigend sind. Wie „I’ll I Need To Know“ (ARIS) von KENNY CHESNEY,

der sich nur mit dem naiven Schwung des Hillbilly-Milchgesichts im Cowboy-Kostüm halbwegs über die Distanz retten kann. 2,0

Auch LEE ROY PARNELL hat die Seuche. Doch We. All Get Lucky Sometimes“ ‚ (Arista/BMG) legt nahe, daß es manchmal auch darauf ankommt, wer da gerade beieinandersitzt. Der Texaner setzt auf die besseren Fachkräfte (Will Jennings, Gary Nicholson, Delbert McOlinton). Und liefert ein Album, dem nur der obligatorische John-Hiattbzw. Tony-Joe-White-Song fehlt, um ganz am Ende der „progressiven“, hier: R&B-lastigen Nashville-Skala zu reüssieren. Aus der selten gewährten Gnade, das gesamte Werk mit der eigenen Band einspielen zu dürfen, macht Parnell trotz eines schönen Instrumentals mit Akkordeon-Ass Flaco Jimenez allerdings zu wenig. 3,0

Unter ihren Möglichkeiten bleiben auch BLACKHAWK, die auf ihrem zweiten Album „Strong Enough“ dem Titel zum Trotz nicht stark genug sind, um beliebig geschneiderter Country-(Rock)-Konfektion zu widerstehen. Kein Zufall wohl, daß der stärkste Titel, „King Of The World“, wieder von Einzelgänger Jeff Black („That’s Just About Right“) kommt. Ein Robert John Lange hingegen hat den kleinsten gemeinsamen Nenner schon so verinnerlicht, daß es gar keines Aufpassers bedarf. 2,5

In der texanischen Bundes- und Musikhauptstadt ist Co-Writing fast ein Fremdwort. Die 13 Titel der Compilation „Austin Country Nights“ (Watermelon/Zensor/Indigo) gewähren einen guten Einblick in eine ungebrochen kreative Country-Szene, die mit Nashville kaum mehr als das Firmenschild gemein hat und zuletzt immer etwas im Schatten der Blues- und Songwriter-Gemeinde stand. Neben bekannteren Interpreten (Dale Watson, Ted Roddy, Wagoneers, Don Walser) stehen Newcomer wie Libbi Bosworth oder die Afro-Amerikanerin Mary Cutrufello für die Vielfalt des Geschehens. 3,5

Die etwas andere Blues-Platte kommt in diesem Monat aus New Orleans. Dort hat MEM SHANNON täglich den „Cab Drirer’s Blues“ (Hannibal/ RTD) und deshalb zwischen gelungene Songs wie „Me And My Bed“ und „My Baby’s Been Watching TV“ allerlei O-Töne aus seiner Fahrgastzelle plaziert – von der „17 Dollar Brünette“ über naive Touristen und geschwätzige Rassisten bis zu vergnügungssüchtigen Phallokraten. Für die Musik gilt das Motto des Bassisten Peter Carter: „When in doubt, Funk!“ 3,5

Saisonbedingt abschließend zwei Tips für akustische Notmaßnahmen unterm Weihnachtsbaum. Wer die Heilige Nacht schon immer mal im Antone’s Club feiern wollte, ist mit „AN AUSTIN RHYTHM * BLUES Christmas“ (SMIS) gut bedient: Lokalgrößen wie Charlie Sexton, Kim Wilson, Jimmie Vaughan, Angela Strehli etc. gaben (vermutlich im heißen texanischen Sommer…) ihr Bestes. 3,0

„Have Yourself A TRACTORS Christmas“ (Arista/BMG), empfiehlt hingegen die Landsmannschaft aus Oklahoma, die im letzten Jahr zu den erfreulicheren Verkaufsschlagern aus Nashville gehörte und ihren „Tulsa Shuffle“ beinahe Evergreen-frei und bisweilen beatleesk auf die Saison zugeschnitten hat. Als Duett-Gast schmettert Bück Owens seinen Klassiker „Santa Looked A Lot Like Daddy“. 3,0

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