Screaming Trees – Dust :: Epic/Sony
Die Wege des Herrn sind unergründlich. Die Screaming Trees, die ja schon immer mit religiöser Inbrunst und Bibel-Vokabular musiziert haben, wissen das. Welch‘ wundersamer Werdegang: In den Achtzigern schnitzten sie in Ellensburg/Washington an ihrem zeitlosen Rock, der zu gleichen Teilen aus Byrds-Harmonien und gekonnt geloopten Gitarren bestand, dann wurden sie nach Seattle gespült und als Grunge-Vorreiter verkauft. Was heißt, daß Chris Cornell von Soundgarden an ihren Songs rumproduzierte, und sie auf Konzerten der beknackten Alice In Chains die Gast-Kasper machen mußten. Vor vier Jahren erschien ihr letztes Album, „Sweet Oblivion“. Süßes Vergessen.
Doch die Screaming Trees sind nicht die Opfer des kollektiven Gedächtnismangels im Musikgeschäft geworden. „Dust“ könnte endlich den Durchbruch im großen Stil markieren. Nicht weil es ihr bestes Album geworden ist – was die Screaming Trees natürlich glauben wie jede Band, die gerade aus dem Studio kommt. Doch auf diesem siebten Langspielwerk musizieren sie mit enormem Pop-Appeal, ohne die Tugenden ihrer Anfangstage zu vernachlässigen. Gary Lee Gönners flirrende Gitarrenfiguren werden mit Mellotron-Tupfern oder Hammond-Orgel-Arabesken geschmückt.
Der Hit des Albums heißt, All I Know“, eine religiös anmutende Hymne. „Gospel Plow“, das letzte Stück, beginnt mit einer Orgel-Passage, die düster klingt wie aus dem Gottesdienst in einer Baptisten-Kirche, um dann von Tabla-Percussion und strahlenden Gitarrenrifls illuminiert zu werden. So macht es natürlich Spaß, zur anderen Seite rüberzukommen.
Auf „Dust“ klingen die Screaming Trees mehr denn je nach den Doors, und das liegt nicht nur an Mark Lanegan, der zwischenzeitlich auf Solo-Platten weiter an seinem pastoralen Gesang gearbeitet hat, sondern eben auch daran, daß die vier in ihren Messe-ähnlichen Liedern allerhand Psychedelia-Devotionalien abfackeln. Weil die Songs trotzdem nicht süßlich oder süffig sind oder für Verstopfungen, sind sie so wunderbar. Räucherstäbchen-Rock kann gut klingen.