Shawn Colvin – These Four Walls

Vor mehr als zehn Jahren, auf ihrem Album „Cover Girl“, gelang Shawn Colvin die wohl schlüssigste Interpretation des vermutlich definitiven Steve-Earle-Songs – gerade weil sie so schön in der Schwebe hielt, ob der Protagonist von „Someday“ den Kleinstadt-Mief hinter sich lassen wird oder nicht. Ihrem eigenen „Tuff Kid“, für das Earle nun hörbar Pate stand, bleibt kaum die Wahl, denn: „My daddy hit me, but he couldn’t quit me.“

Die Geschichte des Kindes, das notgedrungen zu früh erwachsen werden muss, bleibt der einzige Song auf „These Four Walls“, der noch einmal an das resolute Flair ihres überraschenden Top-Ten-Hits „Sunny Came Home“ (um die Lunte an selbiges zu legen) oder von „Get Out Of This House“ anknüpft. Nach dem späten kommerziellen Erfolg des 96er-Albums „A Few Small Repairs“, dem Colvin mit einer Baby-Pause nebst Wiegenliedsammlung sogleich die Erwartungsspitze nahm, musiziert die US-Songschreiberin heute mit der gelassenen Aura einer Frau, die (sich) nichts mehr beweisen muss und doch noch mal den „Summer Dress“ überstreift, „out to face the wilderness“. Die in „Let It Slide“ – mit Teddy Thompson als Refrain-Gast noch einmal dem Überschwang des Sprungs in den Bus vertrauen will und sich doch auch nach einem Ruhekissen sehnt („Fill Me Up“). Die sich nicht mehr verrückt machen lässt, sollte es mit dem Himmel doch nichts werden („That Don’t Worry Me Now“), und der eigenen Vergänglichkeit im Titelsong schon eigentümlich gefasst gegenübertritt, während Pedal Steel und Mandoline einander finden. Die sich gerade in einem leisen Sehnsuchtsschrei wie „Venetian Blue“ ganz auf die suggestive Kraft ihrer Melodien und Metaphern verlassen kann.

Doch ist „These Four Walls“ auch wieder das Album von John Leventhal, der Colvin nicht nur als Co-Autor von nicht weniger als zehn (von elf eigenen) Songs „mit Tonspuren überschwemmte“ (Colvin). Als Produzent kreiert der New Yorker ein klug arrangiertes, warmes Folk-Pop-Ambiente voller kleiner Details, die nie zur Schau gestellt werden und doch gewiss fehlen würden. Wie dieses Kirmes-Echo, das in der aufgekratzten Traum-Nachlese „The Bird“ nur einen Atemzug lang vorüberweht.

Natürlich ist Shawn Colvin auch weiterhin ein „Cover Girl“ von Format. Paul Westerbergs zarte Durchhalteparole „Even Here We Are“ ist hierbei ihr ebenso gut aufgehoben wie ein Gibb-Brüder-Immergrün: „Words“ verströmt die unmittelbare Intimität eines Demos. Shawn Colvin hat mehr als Worte, um sich in unsere Herzen zu schleichen. Auch wenn ein Lächeln gerade nicht drin ist. MONESUCH/WARHER!

JORGFEYER

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