Short cuts
Three Doors Down – The Better Life (Republic/Universal)
Noch eine Modern-Rock-Band aus der amerikanischen Provinz – hat das Land darauf gewartet? Anscheinend. In allen wichtigen US-Rock-Charts sprang die Single „Kryptonite“ auf Platz eins, das Quartett aus Escatawpa, Mississippi war schlagartig berühmt – nicht ganz unverdient: Die Songs sollten Creed das Fürchten lehren, denn verglichen mit deren jüngsten Einfallen gelingt Three Doors Down der Spagat zwischen Melodramatik und Kraftmeierei besser. Ein bisschen Humor haben sie obendrein. 3,5
Life Of Agony – Unpluqqed At The Lowlands Festival ’97 (Roadrunner)
Als Keith Caputo- kurz nach dem hier dokumentierten Auftritt – Life Of Agony Hals über Kopf verließ, sparte er nicht mit Kritik an den Ex-Kollegen: Deren Macho-Metal hätten ihm nie gefallen, nur aus Freundschaftsgründen sei er so lange dabei geblieben. Hört man gar nicht, allerdings sind hier ja vor allem die „sad songs“ versammelt. Und die sang Caputo immer mit enormer Inbrunst. Und in Holland auch noch völlig stoned. 3,5
Braziectro (SPV)
„Latin Flavoured Club Tunes“ von allerlei Elektronik-Meistern? Klingt jetzt hölzern, ist es aber nicht, wie auch die x-te Compilation dieser Art bezeugt. Jazzanova und Thievery Corporation, aber auch Basement Jaxx und Rinocerose sorgen dafür, dass Samba und Club-Sounds auf charmante, sehr smoothe Weise zusammenkommen auf einem Doppelalbum, das fast für eine Party ausreicht 3,0
Doro – Callinq The Wild (SPV)
Doro rockt wieder. Diesmal ohne verzweifelt auf den Elektronik-Zug oder die Industrial-Eisenbahn aufzuspringen. Nein, nun macht Doro wieder guten alten Metal. Gut? Manchmal schon: Dann grölt Lemmy mit ihr „Love Me Forever“, und „I Wanna Live“ wird zur einfachen, aber zielsicheren Hymne. Manchmal nicht: Wenn sie eine langweilige Version von Billy Idols „White Wedding“ bringt und eines der beiden obligaten deutschen Lieder eine Schnulze ist: „Danke“, nein. 2,0
Nawfel (Sky Ranch/Edel) Es zeugt allerdings von erstaunlicher Chuzpe, wenn einer mit gerade mal 15 Jahren ins Studio geht, Musiker wie Jim Keltner, Money Mark und Barry Goldberg einlädt und ihnen sagt, was sie zu tun haben. Nämlich: ihn zu unterstützen, mehr nicht. Nawfel ist Gitarrist, und an dem Instrument macht ihm keiner etwas vor. Er mag aus Tunesien stammen, doch seine Vorbilder sind eindeutig amerikanisch: Blues-Männer und Soul-Stars. Dass der Kleine noch kein John Coltrane ist (auch wenn Keltner das glaubt), ist klar. Aber Johnny Lang steckt er schon locker in die Tasche, Demnächst im Mucker-Paradies bei von der Lippe. 2,5
Eskobar – ‚Til We’re Dead (V2/Zomba)
„Nach-der-Party-Musik“ nennen Eskobar ihren Sound und treffen damit ins Schwarze. Bei einer Feier möchte man die Stockholmer jedenfalls nicht unbedingt hören. Zu wenig originell klingen sie, zu deutlich sind viele Passagen bei ihren britischen Kollegen geklaut. Und bei „Good Day For Dying“ auch noch der Titel. Bitte ein Runde Travis hören – was ja beileibe keine Strafe ist!- und es dann noch mal versuchen. Mit eigenen Ideen. 2,0
Bananafishbones – My Private Rainbow (Polydor/Universal)
Wer mit seinem Song für C&A wirbt, hat zwei Möglichkeiten: einen Hit zu landen oder sich lächerlich zu machen. Bei den Bananafishbones und „Come To Sin“ klappte es mit den Charts, aber ernst wollte sie dann doch keiner nehmen. Schade, denn die drei aus Bad Tölz haben mit dem Plastik-Pop von Liquido und Co. nichts zu tun. Sie schöpfen aus dem Vollen, ohne beliebig zu klingen. Glam-Rock, Country-Polka-Trash, Psycho-Pop, dazu alles über Glück, Häschen und Krokodilstränen. Lassen Sie sich von Glitzeranzügen und Cowboyhüten nicht irreführen: Diese Band hat Stil. 3,5
Alphaville – Stark Naked And Absolutely Live (Navigator/SPV)
Mal ehrlich. Man will Alphaville weder nackt noch live sehen. Man will vielleicht ihre grandiosen Singles noch mal auspacken und „Forever Young“ seufzen oder „Sounds Like A Melody“ summen, aber Marian Golds Schmachtfetzen ohne Overdubs und perfekte Produktion (und auch ohne den Rest der Original-Band)? Nein, das muss nicht sein. Alphaville haben doch so gut funktioniert, weil sie so schön, so wenig greifbar waren. Man möchte sie nicht mit so durchschnittlichem, logischerweise altmodischen Sound hören – und mit einem solch billigen Artwork versehen. 1,5
Spock’s Beard – V (Insideout)
Es spricht für das reaktionäre Weltbild, aber auch für die immense Toleranz der IG Metall, dass solche rückwärtsgewandten, den 70er-Jahre-Art-Rock im vollen Ernst wiederbelebenden Wimps hier – und augenscheinlich nur hier! – reüssieren können. Die Spartenblätter geizen nicht mit Höchstnoten, der gemeine Headbanger wiegt anerkennend den Kopf und darf sich für eine Stunde als Intellektueller fühlen. Was da aber auch alles hineingeht in einen Song! Westcoast-Laxitüde neben kopfhängerischem Jazz-Gefrickel, folkige Schmusemelodei und Ritter-Epos-Soundtrack neben kratzigem Hardrock – und viel AOR-Mainstream. 3,0
The Flower Kings – Space Revolver (Insideout)
Der gleiche Fall, bloß anders. Wenn Letztere ein Eis essen gehen, ziehen The Flower Kings eine gewaltige Tüte durch (oder tun Dinge, von denen wir hier gar nicht reden wollen). Und das hört man. Das ist leidenschaftlicher, exaltierter, krautiger, das hat mehr Saft und kosmische Kraft. Und Seele auch. Das ist arabesk und nachgerade rührend liebevoll gestrickt, aber Mastermind Roine Stolt schreibt traumhafte Melodien – und seine wehmütigen Solo-Exkursionen können Herzen zerreißen. Und wenn dann Vögel zwitschern, wird’s magisch. Sieh nie in die Mitte der Batik-Spirale! 4,0