Spiritualized – Live At The Royal Albert Hall
Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, da fliegt wohl eher ein Raumschiff – und drin sitzen Jason Pierce und seine Crew, diesmal gründlicher spiritualisiert denn je. Das Cover zeigt ein Luftbild von London. Von dort oben sehen Menschen aus wie Ameisen, und jeder zu lang angehaltene
Gitarrenton klingt wie ein Ruf zum Himmel. Auch die Royal Albert Hall ist auf diesem Bild zu sehen. Dort wurde diese Platte am 10. Oktober 1997 aufgenommen – ein Doppel-Live-Album! Spacig, far out, abgehoben! Mit viel Gewaber und Gegniedel! Wann hat es das zuletzt gegeben? Manchem alten Mahavishnu-Orchestra-Fan treten Tränen in die Augen. Und jenen Anhängern des Jason-Pietce-Otchestra, die der Erleuchtung noch nie so nah waren.
Spiritualized machten feine elektronische Psychedelia – jetzt wollen sie Prediger sein. Ihr Live-Album hat etwas vom unangenehmen Ernst der 70er-Jahre-Jam-Sessions, die immer zu lang dauerten und immer zu euphorisch beklatscht wurden. Auch hier johlt nach überlangen Tracks immer noch ein aufgeputschtes Publikum – wie diese Begeisterung eigentlich zustandekam, darüber hat man sich schon bei den alten Jazz-Rock-Dreifach-Live-LPs immer gewundert Und über allem schwebt der Heilige Geist: Es gospelt und inbrünstet, Jesus ist in fast jedem Song mitten unter uns. Sogar der Gospel-Standard „Oh Happy Day“ kommt zu Ehren. Es scheint, als hätten Spiritualized die Ironie früherer Tage vergessen und wären konvertiert – wohin genau auch immer.
Nun sind die meisten Songs bekannt, sie stammen von „Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space“. Doch den Transport auf die Bühne haben sie schlecht verkraftet, alles hört sich eher angestrengt an. Als wäre eine Prüfung zu bestehen. Vielleicht hätte die Platte besser in der Turnhalle von Brighton aufgenommen werden sollen – der genius loci wirkte wohl belastend. Über weite Strecken ist das weder „hypnotische“ noch „spirituelle“ Musik – sondern Quark. Oder, um den kosmischen Aspekt zu berücksichtigen: Quarks. 2,0