The Four Tops :: Fourever
Späte und etwas nachlässige Würdigung der Motown-Sänger.
Soul war nie so richtig Rickie Lee Jones‘ Ding. Aber dafür sang sie auf „Girl Under Her Volcano“ den Four Tops-Evergreen „Walk Away Renee“ nicht minder herzzerreißend als die wunderbare Tom-Waits-Elegie „Rainbow Sleeves“. Was sie da aus diesem Lied, das ganz neu erfindend und auf seine Essenz reduzierend, machte, war unerhört. Levi Stubbs durfte sich von der Kollegin geehrt fühlen.
In England hatten die Four Tops zwischen 1966 und 1970 mehr Hits als buchstäblich alle anderen Motown-Stars, die Temptations und Supremes, Smokey Robinson & The Miracles, Marvin Gaye und Stevie Wonder inbegriffen. Was vielleicht auch damit zu tun hatte, dass Stubbs und seine Mit-Sänger in ihrem Vortrag mühelos über jegliche Motown-Konfektion und -Routine triumphierten, wenn’s drauf ankam. Mit den Aufnahmen seit 1956 für Chess, CBS und Riverside längst Veteranen ihres Gewerbes, als Berry Gordy sie unter Vertrag nahm, waren sie entschieden diversifizierter in ihren Sangesambitionen und ließen bei den von Holland/Dozier/Holland produzierten Sessions ihre Emotionen einfach hemmungsloser raushängen als – zumindest im Studio! etwa die Miracles.
Stubbs und die Seinen, wie so viele bettelarme Jungs aus Detroit, nördlicher Abschnitt, als sie eines Abends 1954 erstmals zusammen auftraten, kümmerten sich um solche Studio-Konventionen der Soul-Fabrik überhaupt nicht. Anfangs fühlten sie sich zu Höherem – zu Jazz, Standards und den perfekten Vokalharmonien der Four Freshmen! berufen, als sie sich noch The Four Aims (nomen est omen!) nannten. Weltberühmt wurden sie mit Ohrwürmern wie „Reach Out I’ll Be There“. „Baby I Need Your Loving“ (um die berühmtesten zu nennen), auch „Seven Rooms Of Gloom“, „Standing In The Shadows Of Love“, „Bernadette“ und ausgerechnet ihrer (mit den Supremes aufgenommenen) Cover-Version von „River Deep – Mountain High“, der in Amerika ein so deprimierender Flop für Phil Spectors Super-Produktion des Ike & Tina Turner-Originals gewesen war. Der damalige Motown-Boss Gordy fand das natürlich immer toll: Dieses Sangesquartett schaffte damals den Spagat zwischen R & B- und Pop-Hitparade müheloser als alle anderen seiner Untergebenen.
Als die Four Tops 1990 spät, aber nicht zu spät in die „Rock And Roll Hall Of Fame“ aufgenommen wurden, hielt Stevie Wonder die Laudatio. Ihre Songs erwiesen sich als haltbar, obwohl die Interpreten weit weniger bekannt sind als die Melodien. Aber erst im angehenden Rentneralter (fast darüber hinaus!) würdigt man sie jetzt so richtig – mit dieser Label-übergreifenden Retrospektive ihrer immerhin 45-jährigen Karrriere, die auch viele ihrer besten Aufnahmen aus der Post-Motown-Ära präsentiert.
Nur in erstklassiges Remastering der bislang in äußerst dünnem Sound vorliegenden Stereo-Mixes ihrer berühmtesten Aufnahmen der 60er Jahre mochte man leider nicht einen einzigen müden Dollar investieren. Kein feiner Zug. Eher unwürdig.