The Legend Of Kaspar Hauser :: Vincent Gallo, Silvia Calderoni

Regie: Davide Manuli

Vincent Gallo kennt das Unterhaltungsgeschäft gut genug um zu wissen, dass es dem eigenen Image zuträglich sein kann, sich zwischendurch rar zu machen. Besonders, wenn man sich auf pointierte Auftritte nicht ohne ein gewisses Reibungspotenzial spezialisiert hat. In den letzten Jahren war von Gallo aber tatsächlich nicht viel zu hören, was umso erstaunlicher ist, da seine wenigen künstlerischen Äußerungen seit „Brown Bunny“ (ja, der „Skandalfilm“, in dem er von Chloë Sevigny einen Blow-Job kriegt) nicht von dem üblichen Hype um seine Person (inklusive Gallos dummdreister Provokationen) begleitet waren. Er spielte in „Essential Killing“ vom polnischen Regie-Altmeister Jerzy Skolimowski einen arabisch(!)-stämmigen Gefangenen, der sich auf der Flucht vor der Polizei wortlos durch eine verschneite Landschaft schlägt. Das Einzige, was sich dabei nachhaltig abzeichnete, war das knallige Guantanamo-Orange seines Häftlingsanzugs vor der weißen Kulisse. Auch seine Hauptrolle in Francis Ford Coppolas Comeback „Tetro“ fand kaum mediale Beachtung.

Wahrscheinlich hat er die Rolle des Enfant Terribles oder der notorisch unberechenbaren Betriebsnudel im Hollywood-Geschäft einfach lange genug gespielt. Sein aktueller Film lässt jedenfalls darauf schließen, dass Gallo sich inzwischen abseits der amerikanischen Filmindustrie wesentlich heimischer fühlt.(Seinen besten Film, die poetisch-brutalistische Vampir-Liebesgeschichte „Trouble Every Day“, hat er unter der Regie von Claire Denis in Frankreich gedreht.) Für „Die Legende von Kaspar Hauser“ hat es Gallo an die italienische Mittelmeerküste verschlagen, in eine karge Naturkulisse zwischen Rossellinis „Stromboli“ und dem volkstümlichen Frühwerk Werner Herzogs. Auch der hat ja mal einen Kaspar-Hauser-Film gemacht, doch der italienische Regisseur Davide Manuli hat die deutsche Legende noch einmal konsequent entkernt und ihm die Folklore ausgetrieben. Manulis Kaspar Hauser strandet an der italienischen Küste in einer Trainingshose und mit einem Paar Riesenkopfhörern auf den Ohren. Verkörpert wird er von einem hübschen, flachbrüstigen Mädchen, der Theaterschauspielerin Silvia Calderoni. Auf ihrer Brust prangt der Name Kaspar Hauser und in ihrer Brust pumpt der Herzschlag des Techno, produziert vom französischen Gigolo-DJ Vitalic: ein frenetischer, hypervitalisierender Bass, der die Initiation Kaspars bis zur finalen Erkenntnis „Ich bin“ einleitet. Am Strand steht Gallo mit Cowboyhut hinter zwei Plattenspielern und feuert mit breitem Südstaaten-Akzent sein Findelkind an. Feel the Vibration!

Auch sonst bewegt sich die Geschichte von „Die Legende von Kaspar Hauser“ weitgehend im Vagen, beziehungsweise Erratischen. Gallo spielt neben dem deejayenden „Sheriff“ noch die Rolle des „Pushers“, eines motorradfahrenden Handlangers, der mit der einzigen Prostituierten des Kaffs anbändelt und nebenbei für die „Herzogin“ die Drecksarbeit erledigt. Die nämlich hat in dem halbkatatonischen Findelkind, das aus der Gischt des Meeres geboren wurde, den rechtmäßigen Thronfolger ausgemacht und fürchtet um ihre bescheidene Macht. Kaspar wiederum nimmt die ihm zugesprochene Rolle des zurückgekehrten Königs/Messias willenlos an, solange er natureuphorisiert dem Rhythmus seines Herzens folgen darf. Für die Partikularinteressen der Bewohner zeigt er nur bedingt Verständnis, was ihn zu einem leichten Opfer ihrer Intrigen macht. Wer möchte, darf darin gerne eine politische Allegorie entdecken.

Gallos Funktion in dieser Farce ist bis zum Ende – wenn er in Raver-Manier ein paar Ufos am Himmel dirigiert -undurchsichtig, aber schlüssig.

Sie fügt sich mit den seltsamen Vorstellungen der vergangenen Jahre zu einer Karriere der Totalverweigerung, die ihren ganz eigenen Gesetzen gehorcht. Auf den ersten Blick mag „Die Legende von Kaspar Hauser“ befremdlich anmuten. Doch für einen Schauspieler, der bereits neunzig Minuten lang eine Leiche gespielt hat (in Abel Ferraras „Das Begräbnis“) und für einen Hänselund-Gretel-Serienkiller-Film in die Rolle der bösen Hexe schlüpfte (in „Freeway 2“) ist ein Film über einen ravenden Gesetzeshüter und seinen Techno-Jünger wohl „business as usual“. (Ascot Elite)

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