Wipers – The Herd :: Tim Kerr Records / RTD
Greg Sage hat den längeren Atem. Punk, Post-Punk, Grunge, Post-Grunge, Neo-Punk, Post-Neo-Punk – das Spiel der Gezeiten im Biz hat ihn nie interessiert, seit zwei Jahrzehnten liefert er mit seinen Wipers eine ganz idiosynkratische Rockmusik. Deshalb ist er immer noch da. Der Mann hat von Anfang an gehaßt, und er hat diesen Haß gut geschürt. Sowas schützt vor infantilen Ironisierungen – und davor, in der Maschinerie der Musikindustrie verhackstückelt zu werden.
Gitarristen aus mindestens drei Generationen Indie-Rock berufen sich auf Greg Sage, Thurston Moore und Kurt Cobain natürlich mal wieder inklusive, aber kann mir eigentlich jemand sagen, wie der Verehrte aussieht? Auf Platten-Covers ist er – wenn überhaupt nur undeutlich zu sehen, Promo-Fotos von ihm sind grundsätzlich ungünstig ausgeleuchtet, und auf Konzerten ist die Bühne meist nur in trübes Licht getaucht. Das einzige, was man über Sage zu berichten weiß, ist daß er ein Piratenkäppi trägt. Von den stets gleich konzipierten Cover-Illustrationen einmal abgesehen: Auf Optik gibt der sagenumwobende Ami nichts.
Weil alles Sound ist. Greg Sage, der Wipers-Alben auch schon mal im Alleingang einspielt, arbeitet seit Anbeginn in seinem eigenen Studio in Portland. Hier hat er ein Klangbild entwickelt, das so eigentümliche Charakteristika aufweist, daß der Nachwuchs nicht einmal versucht hat, es zu kopieren. Während das große Wipers-Pendant Hüsker Du mit seiner Mauer aus Krach ganz dreist und ganz oft nachgeahmt wurde, traute sich an den Sound von Sage, nennen wir ihn Teppich aus Krach, niemand heran.
Vielleicht ist es deshalb alle paar Jahre wieder so ein erhebendes Gefühl, ein neues Album dieser Band zu hören – weil ihr Sound niemals Mode war, also nie das Opfer einer Inflation wurde, sondern immer ganz für sich allein stand – eben wie sein Schöpfer. Auch „The Herd“, das zehnte Album von Greg Sage unter dem Wipers-Banner, variiert das schon vorhandende Material nur ganz gering. Die Rhythmusgruppe bahnt ruhig, aber druckvoll der Gitarre den Weg. Aus der tropfen sinistre Soli. Und über allem thront Sages gedehnter, fatalistisch anmutender Gesang.
Das vorletzte Stück trägt den Titel „Resist“ und fallt ein wenig aus dem stilistisch engen Rahmen. Es ist eine Punkrock-Hymne übers Durchhalten, gegen die sich Bad Religions unfreiwillig zynischer Hit „Punk Rock Song“ wie „Ein bißchen Frieden“ von Nicole ausnimmt. Greg Sage ist stark. Weil er nie an eine Bewegung geglaubt hat, aber immer an sich selbst.