XTC :: Wasp Star
Gewohnt gescheit: Spitzfindiges und Spleeniges vom britischen Duo
Der elektrifzierte Teil des „Apple Venus“-Zyklus ist weniger eine Fortschreibung als eine Ergänzung mit anderen, ja gegensätzlichen musikalischen Mitteln. War „Volume 1“ ein genialisch versponnenes und vielschichtiges Werk voller versteckter Anspielungen und Anzüglichkeiten, tritt uns „Volume 2“ entgegen wie eine Plakatwand: Pop in großen Lettern, griffigen Sprüchen und geraden, fast geometrischen Mustern.
Freilich ist es ein trügerischer Simplizismus, mit dem Andy Partridge und Colin Moulding ihre neuen (Rock-) Songs ausstatten. „Stupidly Happy“ basiert auf einem halbierten Stones Rifi, der Mädchenchor in „Playground“ insinuiert Auszählreime, und überall scheint eitel Harmonie zu herrschen. Doch hinter der lakonischen Lyrik, unter den kunstlosen Melodien und den schlichten Rhythmus-Strukturen tun sich Spalten, ja Abgründe auf. In „Church Of Women“ wird zu Reggae-Reigen und Beach-Boys-Harmonien weiblicher Reproduktionseifer besungen. Und eben daran Zweifel geschürt „That miracle raising the living“, so Partridge, sei allemal anbetungswürdig. Und dann höhnt er: „So let’s put things right, let’s multiply!“
„Wasp Star“ wartet mit etlichen solcher Sarkasmen auf, seine Komplexität spiegelt sich nicht wie beim Vorgänger in opulenter Instrumentation und vertracktem Satzgesang, sondern kommt im Gepäck höchst eingängiger, aufs erste Hören einfaltiger Songs. Ein Schematismus in Melodie und Reim, der einlullt. Dann, plötzlich, ein unerwarteter Schlenker, eine ungewohnte Signatur. Saccharin-Süße der Marke Macca, durchschossen mit bitteren, weltverdrossenen Worten. Ein ordinäres Riffi der zerbröselt, sich in seltsame Spiralen verflüchtigt, nur um gen Ende wieder dazustehen wie ein Fels.
„What you never had you never miss, I guess“, höhnt Partridge in „I’m The Man Who Murdered Love“. Unterrichtsfach Liebe in der hohen Schule der Subversion. Früher wurde noch Süßholz geraspelt, heute neigt Partridge zum Gift.