Rock, aber nicht Roll

Der Rummel um die Chicago-Szene: Sind VERUCA SALT das nächste große Ding?

Louise Post und Nina Gordon, Chefinnen der Band aus Chicago, sind auf Promotion-Tour, als sie erfahren, daß der Deal mit Geffen amtlich ist. Ein wenig ungläubig verweist Post darauf, daß das vergangene Jahr für die Band eine Achterbahnfahrt durchs Musikgeschäft bedeutete, bei der sie alles Wesentliche im Schnellkurs lernen mußten und auch Fehler machten.

Dennoch besteht kaum die Gefahr, daß die seit kaum zwei Jahren existierenden Veruca Salt nun als neue Heldentruppe des Alternative Rock in der Medienmühle zerquetscht werden. Post und Gordon werden außer vom eigenen Selbstvertrauen auch von einem superprofessionellen Management geleitet Die mädchenhaften Stimmen auf ihrem Debüt-Album „American Thighs“ täuschen Naivität nur vor. Post, die ihre Karriere als Commedia-dell’arte-Schauspielerin aufgab, und Gordon, die einen guten Job am Chicago Art Institute gegen die Musik eintauschte, wissen, was sie tun. Zusammen mit Bassist Steve Lack und Ninas Bruder Jim Shapiro am Schlagzeug bilden sie eine der modernen Rockbands, die sich zielstrebig bei allen musikalischen Errungenschaften der letzten 20 Jahre bedienen. Es ist der Wiedererkennungswert, der die Songs von Veruca Salt so eingängig macht: Der anarchische Geist der frühen Pixies findet sich darin ebenso wie die Powerpop-Vorarbeit von Cheap Trick. Sie kombinieren Hardrock-Gitarren mit herzerweichenden Harmonien, wie man sie an den Posies schätzt Post: „Ein Mixer sagte mir mal nach dem Auftritt: ,Slash wäre so stolz.‘ Ich höre Vergleiche mit Ted Nugent, jede Menge Classic Rock. Und in letzter Zeit werde ich mit Jimmy Page verglichen, was mich natürlich nicht stört“

Mit britischem Überschwang vereinnahmten die britischen Musik-Wochenzeitungen die Band. Der Hype kam in Gang, ohne daß es ein Album gab, und Veruca Salt zogen an Chicagoer Bands vorbei, die länger und erfolgloser dabei sind. Einige Kollegen aus der Szene grollten: „Wir bekamen sehr schnell Presse in Chicago, und andere Musiker waren sauer. Sie maulten: ,Wer sind diese Emporkömmlinge, woher kommen diese Hühner? Das sind doch bloß media babes, die nichts zu sagen haben.'“ Produzent Brad Wood hingegen (Liz Phair, Shrimp Boat) war überzeugt und bot seine Dienste an.

Kürzlich warf ein Journalist Nina mangelnden Rock’n’Roll vor, weil sie über den Tour-Alltag und eine Grippe-Ansteckung geklagt hatte. „Ich antwortete, wir seien Rock, aber nicht RolL“ Louise nickt: „Hast du ihm gesagt, daß Rock’n‘ Roll eine Sache des Geistes ist?“ Es ist derselbe Geist, der sie zu Schwestern der Band-Patrona macht: Veruca Salt, eine von Roald Dahl erdachte Figur, ist ein altkluges, eigensinniges Mädchen, das weiß, wie es allein ans Ziel kommt Erst vor kurzem erfuhren sie, daß „veruca“ der medizinische Fachausdruck für „Dornwarze“ ist. Den Namen mögen sie trotzdem noch.

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