Roskilde Daily: What’s my name? PRINCE!

Obwohl der Sonntag mit Pavement, The National und Motörhead viele Optionen bot, stand das Roskilde gestern ganz im Zeichen von Prince, der dem Festival den Funk beibrachte. Sein überragendes Set könnte auch verraten, wie sein heutiger Berlin-Gig ausschauen wird.

Man konnte an diesem sonnigen letzten Roskilde-Tag die Menschen moshen sehen (Motörhead), man konnte sie schon am frühen Nachmittag bouncen und raven sehen (Die Antwoord), man konnte sie mit geschlossenen Augen vor und zurück wippen sehen (The National), man konnte sie blutpogen sehen (Converge), man konnte sie von Abschiedstränen gerührt ins Holzfällerhemd schnüffeln sehen (Pavement), man konnte sie dancen sehen (Miike Snow), aber man war nicht unbedingt auf das vorbereitet, was dann am späteren Abend bei Prince passierte: Von der ersten bis zur letzten Reihe bewegten sich Männlein wie Weiblein in einem hüftbetonten Tanze, ließen die Becken kreisen, scharwenzelten um ihre Freunde und Freundinnen, stießen die Hinterteile aneinander und rissen immer wieder die Arme in die Luft. War man hier nicht auf einem Rockfestival? Nö, als Prince dann endlich mal seine Show in Gang brachte, stand hier alles unter der Fahne des Funks.Wenn man Prince an diesem Abend etwas ankreiden kann, dann eigentlich nur das etwas vermurkste bzw. nicht vorhandene Intro, bei dem er zunächst Sheila E und andere Mitmusiker zur Jubelanimation auf die Bühne schickte, selbst aber aus unerklärlichen Gründen fernblieb. So hing man die ersten zehn Minuten latent besorgt in der Luft oder am Haken und grübelte, was denn da im Bühnennebel passierte. Doch dann lief endlich die Band vollzählig auf, spielte die Instrumente warm und ebnete dem kleinen Großmeister so das Feld. Und plötzlich war alles gut.

Geschenkt wurde einem im Publikum jedoch nichts. Prince war gekommen, um souverän und leidenschaftlich zugleich abzuliefern, dafür forderte er jedoch auch maximales Mitmachen ein. Kaum ein Song, der ohne Klatschaufforderungen auskam, kein Solo, das nicht von Prince mit diesem charakteristischen Hochziehen der Augenbraue eingeleitet wurde, das wohl sagen sollte: „Sehet wie ich meine Gitarre spiele und errötet vor Neid.“ Nun ja, wenn das einer darf, dann wohl er.

„Let’s Go Crazy“ aus dem Jahre 1984 eröffnete das Set und gab damit zugleich die musikalische Ausrichtung wie auch das Motto des Abends aus. Musikalisch ging es nämlich mit voller Kraft in den Funk, eine Musikrichtung, die auf dem Roskilde ja eher selten zu ihrem Recht kommt. Dass sich jeder dazu bewegen wollte, lag dann wohl auch eher an Prince selbst, dessen bloßes Erscheinen schon die meisten verzückte. Da war das verkorkste Intro schnell vergessen, und es dauerte nicht lange, bis die rund 65.000 Leute sogar unaufgefordert „We are funky people!“ skandierten.

Im ersten Konzertteil hielt Prince, der in einem Anzug mit dem Artwork seines neuen Albums gewandet war (das bekanntlich mit unserer nächsten Ausgabe erscheint, das Tempo hoch, spielte sich im Anschluss „Delirious“ und lud selbst zur nachgeholten Zeitreise nach „1999“. Crowdpleasing durch konsequentes Hitliefern also.

Prince suchte dabei permanent den direkten Kontakt zum Publikum. „Yeah, real music by real musicians. Do you like it?“, fragte er süffisant grinsend und strich dabei erneut mit dem Zeigefinger über die Augenbrauen in seinem aus unerfindlichen Gründen noch immer perfekt sitzenden Gesicht. Mehrere Mal wieser spontan den Lichtmann an, die Bühnenscheinwerfer zu dimmen und das Publikum stattdessen auszuleuchten. „Turn the lights down. Let me see the people!“ forderte er und lieferte sich sogar ein Katz-und-Maus-Spiel mit dem Spotlight, bis er sich hinter einer Box vor selbigem versteckte.

Bedächtig und für einige wenige Momente bedenklich an der Grenze zum Kitsch wurde es dann, als seine weibliche Sangesbegleitung Sarah Maclachlans „Angel“ in Gospelsphären führte. Als Prince himself jedoch Bill Withers „Lean On Me“ und „Nothing Compares 2 U“ nachreichte, scheute sich auch niemand mehr, die Feuerzeuge draußen zu lassen.

„What do you want tonight? Some blues? Some Jazz?“, fragte er die Menge darauf. Als ihm ein lauter Jubel entgegen schlug, sagte er: „I got it. You want to stay in the church for a while. We love you. And we love that next song. It’s special.“

Da hatte er recht. „Special“ war der nächste Song auf jeden Fall, und natürlich der unvermeidliche Superhit “Purple Rain“, bei dem plötzlich hunderte purpurfarbene Leuchtstäbe aus den hinteren Publikumsreihen nach vorne gefeuert wurde. Ob sich da ein Flashmob abgesprochen hatte, wie es auf dem Roskilde häufig passiert?

Im Zugabenteil, kurz bevor Prince „Kiss“ spielte, aus dem er sich nach dem letzten Akkord galant mit Kusshand verabschiedete, gab es eine weitere Szene, in der man Princes Größenwahn einfach lieben musste.

„What’s my name? Denmark,“ fragte er, und als alle „Prince!!!!“ riefen: „Ok, now people don’t need to ask what I want to be referred to as that’s my name and this is my song to you.“ Nuff said.

„Dance 4 Me“, wo Prince anfangs höchstselbst die Bongos bearbeitete, noch nachgereicht, bevor dann das 40. Roskilde in frenetischem Jubel ertrank, was wohl beweist, dass Prince heute alles andere als abgemeldet ist, selbst wenn er sich auf seine Hits und zugstarke Coverversionen verlässt und Songs seines neuen Werkes „20Ten“ komplett aussparte. Dass seine Musik noch immer ansteckend sein kann – auch bei einem überwiegend jungen Rockfestivalpublikum – hat er mit diesem rund zweistündigen Gig eindeutig bewiesen. Das wird dann wohl auch jeder unterschreiben, der seinem Tourstopp in der Berliner Waldbühne am heutigen Abend beiwohnen darf.

Als man dann nachts so der Abreise entgegentrottete, bot sich noch einmal eine Szene, die den Abend, den Auftritt und seine Wirkung wunderbar auf den Punkt brachte: Auf dem Fahrradweg neben einer Hauptstraße gehen drei junge Mädchen lachend und labernd in Richtung ihres Campingplatzes. Auf einmal springt die eine nach vorne, macht einen Ausfallschritt, geht in die Knie, springt hoch, dreht sich in der Luft um die eigene Achse und quiekt fröhlich: „So tonight I’m gonna party like it’s 1999, yeah hey yeah!“ Das klingt zwar heute ein wenig aus der Zeit gefallen – wie der Prince-Gig ja auch – aber dass er die Party nicht verlernt hat, war nun auch jedem klar.

Tracklist:
1. Let’s Go Crazy
2. Delirious
3. 1999
4. Little Red Corvette (slow version)
5. Controversy (mit „Funky Music“-Chant)
6. Sexy Dancer
7. Le Freak (mit „Housequake“-Chant)
8. Why You Wanna Treat Me So Bad ?
9. Take Me With U (gesungen mit Sheila E)
10. Guitar
11. Angel (Sarah Mclachlan cover)
13. Lean On Me (Bill Whiters cover)
14. Nothing Compares 2 U
15. Purple Rain
16. Mountains
17. Shake Your Body (Down To The Ground)
18. Everyday People
19. Kiss
20. Dance 4 Me

Daniel Koch

Abonniere unseren Newsletter
Verpasse keine Updates