Mit „American desert music“ feiern HAZELDINE in Europa Erfolge

Die Atmosphäre beim Soundcheck ist geladen, die Band ist übermüdet und in Zeitnot. Trotzdem fällt kein böses Wort, nicht einmal ein lautes. Es geht zu wie bei echten Profis, doch hatten Hazeldine noch nicht einmal Zeit, Routine buchstabieren zu lernen. „In den letzten Monaten haben sich die Ereignisse überschlagen“, seufzt Tonya Lamm, eine Hälfte der Gitarren/Gesangs-Achse des Quartetts, und Shawn Barton, die zweite Front-Lady, stimmt in das theatralische Lamento ein: „Vor einem Jahr kannten uns nur ein paar Leute in Albuquerque, nun sind wir ‚Album des Monats‘ im ‚Guardian‘ und treten im Fernsehen auf.“ Fürwahr ein hartes Brot.

Die neuen Darlings der Roots-Rock-Gemeinde haben für Amerika bei Polydor unterschrieben. „Wir wurden vom selben Mann verpflichtet, der Radiohead entdeckt hat“, schnattert es, und die anderen stimmen euphorisch in einen Kanon aus Karrierehoffnung ein. Radiohead! „Ich liebe ihre Videos“, sagt Tonya, obwohl Videos an sich natürlich eine elende, unwürdige Angelegenheit sind, versteht sich. Hazeldine konnten sich bislang nicht vorstellen, auf einen derart schnellen Verwertungs-Express aufzuspringen, nun stehen sie schon auf dem Trittbrett – und da muß man eben das Beste draus machen. In Ordnung, solange eine gesunde, kollektive Skepsis den Stoffwechsel der Gruppe bei Bedarfanregt und Widersprüche nicht von der Goldgräberstimmung zugeschaufelt werden.

Bleiben wir doch beim Komplex Video, eine Marketing-Banalität, derer Hazeldine sich noch nicht zu schämen brauchen, schon mangels Masse. Mr. Polydor dürfte darüber indes anders denken. Werden wir Hazeldine nächstes Jahr auf VH-1 bewundern können, hübsch drapiert zwischen Kakteen, mit choreographierter Tanzgymnastik? Wohl nicht, aber ein Problem ist es schon, eins, über das offenbar noch nicht nachgedacht wurde, das nun aber ernsthaft angegangen wird in unmittelbarer Erwartung der Major-Moneten. Eine Weile wird diskutiert, dann einigt man sich, und Bassistin Anne Tkach verkündet unter allgemeinem Gelächter das Konzept zum künftigen Clip: „Wir machen nicht Synchron-Hüpfen, sondern Synchron-Schwimmen, aber ohne Unterwasserkamera. Alles, was du siehst, sind unsere Füße und Beine, die aus dem Wasser ragen und rhythmisch auf- und abtauchen.“ Ganz schön Dada für Wüsten-Sirenen und einen Sound, den sie „American desert music“ nennen.

Albuquerque/New Mexico ist ein verschlafenes Städtchen, wo jeder jeden kennt und es schon deshalb nicht zu verhindern war, daß die drei Damen zueinander fanden. Allzu viele Drummer standen auch nicht zur Verfügung, weshalb sie auf ihn verfallen seien, wie Jeffrey Richards, der früher mit Vic Chesnutt gearbeitet hat, grinsend einräumt. Obwohl Hazeldine in ihrer Heimat durchaus hier und da mit Radio-Einsätzen geehrt werden, ungeachtet dessen, daß ihre wunderbare Debüt-LP „How Bees Fly“ dort noch gar nicht veröffentlicht wurde, ist Europa dankbarster Abnehmer der somnambulen, harmonieseligen und doch leicht sinistren Songs der Südstaatlerinnen. Nicht zuletzt dank der rührigen, rührenden Aufmerksamkeit ihres deutschen Mini-Label Glitterhouse: „Low budget, but they’ve been great“ schallt es aus der Hazeldine-Runde.

Americana ohne hiesige Labels, eine Fata Morgana nur. So gibt es wenigstens einen Grund, stolz auf unsere Herkunft zu sein. Ach ja, und auf die Dialektik der Aufklärung natürlich.

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