Sie wollen ewig Teenager bleiben, aber nun haben Placebo doch angefangen, über die großen Themen des Lebens nachzudenken

Placebo haben, was immer mehr Bands fehlt: Glamour. Darauf legen sie Wert, dafür tun sie was. Fernsehinterviews ohne Visagistin? No fiicking way. Und selbst ohne Kamera stört es Sänger Brian Molko sehr, dass er gerade einen Pickel links neben der Nase hat und keine Zeit, Make-up aufzulegen. Seine Haare werden auch nicht gerade mehr, und er schielt ein bisschen. Aber er hat es trotzdem – „Glamour pur“, wie Daniel Küblböck sagen würde. Molko lacht übrigens ähnlich wie der „Superstar“: ziemlich äegenhaft und extrem ansteckend. Er hat aber auch allen Grund zum Fröhlichsein. Das neue Placebo-Album ist endlich fertig, es heißt „Sleeping With Ghosts“ und erscheint am 24. März.

Es wird einige Hörer überraschen. Das Trio hat sich Jim Abbis als Produzenten ausgesucht. Den trafen sie immer wieder „beim Clubben und bei Gigs“, und da sie ohnehin ein elektronischeres, durchgestylteres Album machen wollten, wurde er kurzerhand ins Studio eingeladen. Molko war von dem Ergebnis überrascht: „Eigentlich dachten wir, wenn wir mit einem arbeiten, der DJ Shadow und Massive Attack produziert hat, werden wir ein Beats-lastigeres Album machen – aber am Ende wurde es doch wieder Rock. Was wohl bedeutet, dass sich unsere Identität nicht so leicht schlucken lässt Wir sind einfach eine Gitarrenband. Trotzdem wollten wir nicht mit einem big shot American rockproducer arbeiten. Das wäre zu offensichtlich gewesen, zu simpel.“

Und leicht haben es sich Placebo nie gemacht Was hat man nicht alles über Molko gelesen – über seinen Drogenkonsum, seine Frauen- und Männergeschichten, sein Durchhaltevermögen bei Parties. Verarbeitet hat er all das in Songs wie „Nancy Boy“, „Pure Morning“ oder „Special K“ – Hymnen an die Dekadenz und den Hedonismus. Vorbei, vorbei. Auf „Sleeping With Ghosts“ geht es um Wichtigeres: „Wir sind 30 geworden. Da stellt man sich schon mal die großen Fragen über Tod, Liebe und so weiter. Die muss man auch thematisieren, man darf keine Angst davor haben.“ Er beschäftigt sich neuerdings auch mit den Folgen der Globalisierung und seiner Situation als „halb Amerikaner, halb Schotte – oder so“. Monatelang dachte er daran, seine US-Staatsbürgerschaft abzugeben, weil er mit der Behandlung der Gefangenen auf Guantanamo nicht einverstanden war. „Aber dann hätte ich jedes Mitspracherecht verloren. Und man kann eh schon wenig genug mitentscheiden – es regiert ja nicht mal der, der gewählt wurde.“

Allerdings liegt es nicht nur am Alter, dass Molko jetzt mehr nachdenkt und weniger provokative Texte schreibt „Ich konnte früher nicht so gut Songs schreiben, also blieb es oft bei Schlagwörtern und Schimpfwörtern. Diesmal gibt es gar keine! Und keine direkte Anspielung auf Drogen.“ Nicht etwa, weil sich Molkos Lebensstil sehr geändert hätte. Er weigert sich, ein verbiesterter Abstinenzler zu werden – aber am Morgen ist er drei Kilometer gelaufen, darauf ist er stolz. „Man muss ein bisschen mehr auf sich achten, wenn man älter wird.“ Er lacht – das klang ja gerade, als wäre er 60. Tatsächlich fühlt er sich immer noch erstaunlich jung: „Musiker werden einfach viel langsamer erwachsen. Deswegen werden ja Rockbands gegründet: Man kann ewig ein Teenager bleiben. Das Peter-Pan-Syndrom – mir gefällt das.“

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