Solomon Burke die Jam-Session gelehrt, den beleidigten Jackson Browne beschwichtigt – Joe Henry ist Überzeugungskünstler

Gibt es Zufälle? Am Vorabend des Gesprächs mit Joe Henry spielen die Jayhawks in der Stadt, und die Gedanken schweifen zurück in jene I Zeit, da sie Bühne und Studio noch teilten. Und dann hört man die jeweils aktuellen Alben, „Tiny Voices“ und „Rainy Day Music“, jedes auf seine Art ein Referenzwerk – und dabei doch so weit voneinander entfernt wie High Noon und Mitternacht.

Auf die Frage, ob es ihn nicht selbst verblüffe, wie weit sich ihre Wege getrennt haben, antwortet der Mann aus Los Angeles, dass es schon „eine wichtige Phase“ gewesen sei für ihn, aber doch auch „eine Ehe aus Bequemlichkeit“, denn: „Ich dachte nie: Das ist mein musikalisches Vokabular bis in alle Ewigkeit.“ Vielmehr war Henry schon mitten in den Sessions zum zweiten gemeinsamen Album so „ungeheuer frustriert“, dass er die Mitstreiter lieber nach Hause geschickt hätte, wäre nicht alles schon gebucht und bezahlt gewesen. Dass nicht wenige Fans „Kindness Of The World“ von 1993 bis heute für sein bestes Werk halten, verwirrt ihn. „Als ich damals nach der Tour nach Hause kam, dachte ich: Wenn ich keinen anderen Weg finde, höre ich auf.“

Henry fand ihn 1996 zunächst mit „Trumpolene“, den neuen Weg, auf dem er vor allem lernte, sich auf den kreativen Prozess als solchen einzulassen. Vertrauen ist gut – Kontrolle ist nicht besser. Und auch unmöglich. „Ich bringe Leute zusammen und vertraue auf ihre musikalische Vorstellungskraft“, sagt Joe Henry. „Und akzeptiere, dass ein Song sich plötzlich in eine ganz andere Richtung entwickeln kann.“ Ängstigt ihn der Kontrollverlust nicht? „Es wäre viel beängstigender, wenn ich es für meinen Job hielte, als Herr der Gezeiten aufzutreten. Ich bin eher daran interessiert, oben auf der Welle zu reiten, die da gerade kommt.“

Auf einer Welle schwappte letztes Jahr das Angebot vorbei, Soul-Legende Solomon Burke zu produzieren – mit allen Freiheiten und Songs von Costello, Dylan, Waits und so weiter. „Einer der größten lebenden Sänger. Wie kann man da nein sagen?“ Nun, vielleicht gerade weil er einer der größten lebenden Sänger ist? „Klar war ich nervös, als es losging. Auch als ich mich sagen hörte: ‚Natürlich kann ich das!‘, fragte ich mich insgeheim, wie in aller Welt ich das anstellen sollte. Es war, als ob man zu einem Löwen in den Käfig geht.“

Doch inzwischen schmückt ein Grammy für das Burke-Comeback „Don’t Give Up On Me“ seine Stube. Der sanfte Dompteur hatte dem skeptischen Raubtier gut zugeredet. Henry: „Er kam rein und sagte: Hier, ich bin dein Sänger, sag mir, was ich machen soll! Doch es überraschte ihn schon, dass die Musiker – anders als früher – keine festen Arrangements hatten. Ich erklärte ihm, dass wir zusammen lernen werden, wie die Songs intuitiv zum Leben erweckt werden können. Er bezweifelte, dass dies funktionieren könne. Aber ich hatte mit ihnen gearbeitet und keine Zweifel, dass es funktioniert.“

So wie’s auf „Tiny Voices“ funktioniert, der vorläufigen Apotheose einer Entwicklung, in der sich Henry schon zu rootsigen Jayhawks-Zeiten als Antipode zum confessional songwriter begriffen hatte. Die eigene Person zum Sujet seiner Songs zu machen, findet er nach wie vor arrogant und einschränkend. Und was ist unter diesen Vorzeichen sein Lieblingslied der Lieder, die er eigentlich nicht mögen dürfte? „Da muss ich nachdenken. Gute Frage. Leonard Cohen hat natürlich ein paar fantastische Songs, in denen er sich selbst zum Gegenstand macht, wie ,Chelsea Hotel‘. Auch ‚The Pretender‘ von Jackson Browne ist ein toller Song.“

Einmal saßen sie sogar gemeinsam auf einem Songwriter-Podium, Browne und er. Zur Eröffnung verlas Moderator Van Dyke Parks eine verbale Breitseite, die Henry im US-ROLLING Stone gegen den kalifornischen Kollegen abgefeuert hatte. Wie ist es ausgegangen? „Ich hab’s wohl geschafft, mich da irgendwie rauszureden.“

Joe Henry lacht. Kann man sich gut vorstellen bei ihm.

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