The Art Of Noise

Die Plakatkunst der Popkultur schien tot, als mit Frank Kozik der graphische Geist der 60er auf die Generation X der 90er Jahre traf. Inspiriert von Comics, Cartoons und die Coolness des Abgründigen, vereinen seine Entwürfe für Soundgarden, Urge Overkill, die Beastie Boys oder Melvins die Assoziation von Sight and Sound in einem sarkastisch-sozialkritischen Kontex, der die Ikonen des American Way of Life hinrichtet. Mit dem Aufbruch des Underground wurde Kozik selbst zum Popstar, und doch blieb er ein Teil der Subkultur.

Als 1962 in Madrid ein Junge namens Frank Kozik geboren wurde, entwarfen Rick Griffin und Stanley Mouse ihre ersten Plakate für Konzerte in San Franciscos Clubs Avalon und Fillmore West. Cal Schenkel gestaltete die Covers Frank Zappas, und der lüsterne Postkartenzeichner Robert „Fritz The Cat“ Crump illustrierte das Album „Cheap Thrils“ (1968) von Big Brother & The Holding Company mit Janis Joplin. 1967 erschien „Sgt. Pepper’s“, 1977 „Never Mind The Bollocks“, und 1987 erschreckte der Graphiker Robert Williams, der bereits in den 60er Jahren wüste Poster von Biker-Rockern und mexikanischen Nutten ausstellte, die Zensurbehörde mit seinem Motiv zu „Appetite For Destruction“ von Guns N’Roses. Dann absorbierte MTV und ruinierte die CD die Ästhetik der Popkultur.

Frank Kozik aber widerstand der Macht der modernen Medien und Marktmechanismen. Der Graphikdesigner hat den Stift aufgehoben, den seine Vordenker und Vorbilder im Gewühl des Massenkonsums verloren haben, und deren Strich bei seinen Plattencovern und Konzertplakaten weitergeführt. Er ist ihr Erbe und Erneuerer, Verwalter und Vollstrecker zugleich und damit die Quintessenz ihrer Ideen und Intentionen. Statt das umworbene Publikum mit graphischem Einerlei, Musikerporträts oder dem bloßen Namen zu langweilen, knüpft Kozik aus Sex, Sarkasmus und Sozialkritik den Kontext von sound and sight. So wurde er, was wenigen Pionieren vergönnt war und vielen Kollegen nicht gelingt – ein Popstar.

Tourneen von Nirvana, Pearl Jam, Soundgarden, Sonic Youth, der Beastie Boys und Red Hot Chili Peppers oder Neil Young wurden mit Koziks Entwürfen angekündigt. Die Melvins erhielten von ihm das Cover für „Houdini“. Konzerne wie Nike und BASF erhofften sich von seinen Werbespots ein zeitgemäßes Image. Er hat Kulissen für Musikvideos designt und für einen Cartoon-Sender alte Zeichentrickfilme ausgeschlachtet und mit Songs als grelle Jingles neu zusammengesetzt. Und so wie Soundgarden trotz Millionenerfolgen nicht als Kollaborateure des Establisment gelten, sind auch seine verschiedene Aktivitäten kein Widerspruch. Alle Arbeiten bleiben stets immanent. Kozik ist sein eigenes Programm, ein evolutionäres Paradoxon als Maulwurf im System.

Koziks Karriere ist ein Looping rückwärts. Mit 14 Jahren siedelte er in die Bay Area von Kalifornien über, 1981 zog er nach Austin in Texas. Seine ersten Flyers fertigte er für eine befreundete Band auf einem Fotokopierer im Büro an. In der alternativen Rockszene fand sein subversiver Stil bald Geistesverwandte. Er visualisierte, was mit deren Musik assoziiert wurde, und gab ihnen damit einen Ausdruck gegenüber der Marketingmaschinerie des Mainstreams. Sein Ansehen wuchs, der Ertrag aber blieb klein wie der jener Bands. Als der Underground, als Grunge vermarktet, plötzlich in

die Charts aufbrach, wurde auch Koziks art of noise populär. Da hatte er bereits für alle wichtigen Musiker gearbeitet. Derart mit corporate identity ausgestattet, wird er immer öfter engagiert, um Konsumgüter im Wandel der Werte und Symbole mit dem Coolness-Codes der jungen Generation zu versehen. Fred Feuerstein und Wilma etwa schob er Sadomasochismus unter. Die Inhaber des Copyright machten gute Miene zu seinem bösen Spiel. „Sie waren angetan“, lacht Kozik, „meinten aber: Laß das sein, oder wir reißen dir den Arsch auf.“ Kozik manipuliert die Manipulation, indem er Ikonen zerstört und Identitäten zersetzt und somit neue schafft. Sein Ansatz ist die Ironie bis zum Zynismus. Für einen kontroversen Kontext scheut er nicht vor Hitler, Mao, Jesus, Manson und den Papst, vor Teufelskult, Waffenfetischismus, Drogen und den Symbolen des ameriam dream zurück. Kozik vereint – auch scheinbare – Gegensätze zu einer abgründigen Folgerichtigkeit. In seiner Bildsprache kollidieren Konnotationen zu Kakophonien, die von Trash-Comics, Cartoons sowie Pinups und Magarinewerbung der 40er Jahre inspiriert sind. Kozik betreibt Exorzismus.

Natürlich macht Kozik ebenfalls Propaganda. Darum spricht er von Anzeigen anstatt von Kunst: „Ich mache Werbung, und das ist ein vollkommen korrupter Job, bei dem ich mich austoben kann.“ Er ist kein Idealist, sondern Pragmatiker. Das Geld von der Industrie investiert er in die Independent-Szene. Kleine Labels bekommen seine Plakate gratis. Er verdient dann am Postervertrieb, wobei er den Preis möglichst gering hält. Auf seinem Label Man’s Ruin verlegt und illustriert er sogar Vinyl-Singles für kaum bekannte Metal- und Punkbands. Auch bei diesem Projekt kooperieren schon einige Majors. „Deren Bands bringen bei uns Versionen auf Vinyl heraus, die nicht auf ihre CD passen“, sagt Kozik. Die Firmen kaufen ihm die limitierten Auflagen von etwa 1000 Stück ab. „für die sind das Peanuts. Aber die Bands haben ihre street credibility und wir unseren Spaß.“

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