The Kraut Crowd

Fujiya & Miyagi sind bekennende Krautrockfans. Wieso, das erklärt uns Sänger David Best.

Zuerst einmal: Wie bist du auf Krautrock gestoßen?

Jeder kannte Kraftwerk, denn die hatten es in die Charts geschafft. Wirklich auf den Geschmack gekommen bin ich aber durch Mark E. Smith und The Fall. Ich war ein großer Fan von ihnen, und sie hatten ein Stück mit dem Titel „I Am Damo Suzuki“. Da wollte ich natürlich wissen, wer dieser Damo Suzuki ist. Ich war 16 Jahre alt, ging noch zur Schule und wohnte auf dem Land. Das war noch vor dem Internet, und es war schwer, an Musik jenseits des Mainstream heranzukommen. Eines Tages bin ich mit einem Kumpel nach Cambridge gefahren und entdeckte dort den Can-Sampler „Cannibalism“. Das klang anders als alles, was ich je zuvor gehört hatte. Von Can aus arbeitete ich mich rückwärts und entdeckte all die anderen Gruppen. Die Musik und das ganze Drumherum wirkten mysteriös – ein wichtiges Element der Faszination.

Was hat dich an der eigentlichen Musik angezogen?

Kargheit ist nicht das richtige Wort – aber es hing an dieser Musik kein Gramm Fett. Die Bands, die mir am besten gefielen – Can, Cluster, Harmonia, NEU! – kreierten eine Art minimalistische, exakte Perfektion. Und Gitarrensolos waren sehr, sehr selten. Außerdem hörte man kaum je ein Stück, das ans Bluesschema erinnerte. Es war sehr schwer, sich vorzustellen, welche Einflüsse in diese Musik eingeflossen waren.

Du warst nicht der Einzige, der Ende der Achtziger auf den Geschmack kam. Um die Band Stereolab entwickelte sich eine Mini-Szene in London, die den Krautrock wiederentdeckte.

Stereolab gefielen mir sehr gut. Wenig später erschien „Krautrocksampler“, die großartige Krautrockgeschichte von Julian Cope. Damals besuchte ich die Kunstschule und hatte keinen Penny. Mein Kumpel hatte das Buch gekauft, und ich photokopierte es. Mit dem Internet und den Blogs wurde dann alles viel einfacher. Bis dahin war man kaum an die Platten herangekommen, wenn man nicht reich war und Sammlerpreise zahlte. Seit zwanzig Jahren beschäftige ich mich nun damit, und ich entdecke immer wieder Neues. Gerade stehe ich sehr auf das Album „Lilienthal“ von Dieter Moebius.

Hat dich das Interesse an dieser Musik auch zu Stockhausen oder Beuys geführt?

Damals nicht. Ich war jung, und die aufregende Musik reichte mir voll und ganz. Das Schaudern im Rücken, wenn man „Halleluhwah“ auflegte. Ich weiß, es gibt viel zu bereden über die Hintergründe der Musik und was damals in Deutschland geschah. Ich habe später über die Kommunen gelesen, aus denen Bands wie Ash Ra Tempel und Amon Düül hervorgingen. Aber es war eine andere Zeit und ein anderer Ort, der historische Hintergrund, die 68er-Bewegung und so, ging mir nicht nahe.

Gerade habe ich die Memoiren von Jah Wobble gelesen, dem Bassisten, der an der Seite von John Lydon bei Public Image Limited anfing und dann mit Holger Czukay und Jaki Liebezeit arbeitete. Er berichtet mit großem Vergnügen, wie er und einige Mitmusiker vor jedem Auftritt mit den beiden ein „Heil Hitler“-Theater aufgeführt hatten. Noch lustiger als diese Aktion fand Wobble die Tatsache, dass die beiden deutschen Musiker darüber nicht lachen mochten. Wie tief sitzen die alten Stereotypen?

Das ist bestimmt zwölf Jahre her, dass die Boulevardzeitung The Sun auf der Frontseite einen Artikel publizierte, in dem es darum ging, dass deutsche Urlauber in Spanien extra früher aufstehen würden, um den Engländern hämisch grinsend die Sonnenliegen wegzuschnappen. Das – und die Story, dass wir im Fußball immer gegen das effiziente aber langweilige Deutschland verlieren – sind die großen Klischees. Reine Ignoranz natürlich. Denn die meisten Engländer waren noch nie in Deutschland. Irgendwie hat die Musik von Kraftwerk immer gut in diese Klischeevorstellungen gepasst, weil sie so exakt ist.

Wie fandest du den Techno der neunziger und 00er-Jahre?

Mir fehlten da Seele und Melodie. Ich denke schon, dass es eine historische Verbindung gibt. Aber ich weiß nicht, wie viele Technoleute an Can und Kraftwerk denken, wenn sie ihr Ding tun. Es überrascht mich in Deutschland immer wieder, wie wenig selbst die Leute, die in unsere Konzerte kommen, über ihre musikalische Vergangenheit wissen.

Vielleicht ist es eine Generationensache. Vielleicht wird das in gewissen Kreisen als alte Hippiemusik abgetan.

Mag sein. Dabei ist diese Musik in meinen Augen nicht besonders hippieesk. Besonders nicht im Vergleich zu dem, was damals in England vor sich ging – Emerson, Lake Et Palmer, ich bitte dich! In ihrem Minimalismus steht sie sogar nahe beim Punk. Die Krautrocker waren doch viel freigeistiger als diese Bluesbands in den Pubs von Basingstoke. Das wirft all die Vorurteile gegenüber Deutschland über den Haufen.

Wirst du das remasterte Gesamtwerk von Kraftwerk kaufen? wie

Ich weiß noch nicht. Vielleicht „Radioactivity“. Es würde mich schon interessieren, was sie damit gemacht haben. Ich habe gehört, dass sie alles Zischen und Knacken entfernt haben – dabei gehört das für mich dazu. Kürzlich habe ich Kraftwerk übrigens erstmals live erlebt. Wir spielten beide beim Bestival-Festival auf der Isle of Wight. Sie wirkten relevant wie eh und je, sogar frischer als alle anderen Gruppen, die dort auftraten. deutsche Popmusik.

Hast du mit ihnen gesprochen?

Ach, nein. Alle wollten mit denen reden. Ich wäre auch viel zu nervös gewesen. Andererseits muss ich sagen, dass sich Damo Suzuki oder Michael Rother, die ich sehr bewundere, als umgängliche Menschen entpuppt haben. Menschen wie du und ich.

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